SPÖ versinkt im rot-blauen Strudel

ROTE JUNGENDORGANISATIONEN DEMONSTRIEREN VOR SP� PARTEIZENTRALE GEGEN EIN ROT-BLAU B�NDNIS IM BURGENLAND
ROTE JUNGENDORGANISATIONEN DEMONSTRIEREN VOR SP� PARTEIZENTRALE GEGEN EIN ROT-BLAU B�NDNIS IM BURGENLAND(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Nur fünf Tage nach der Wahl ist der SPÖ-FPÖ-Pakt im Burgenland perfekt. Wütende Proteste und Zurufe der Bundes-SPÖ wurden ignoriert. Faymann ist in Bedrängnis und schiebt Verantwortung auf Niessl.

Während in Eisenstadt schon die letzten Einzelheiten des rot-blauen Koalitionspakts besprochen wurden, kam aus der Bundes-SPÖ in Wien noch ein verzweifelter Querschuss: Andreas Schieder, der rote Klubchef im Parlament, rief am Freitag via ORF-Radio-„Mittagsjournal“ die burgenländische SPÖ mit Landeshauptmann Hans Niessl an der Spitze zum Abbruch der Verhandlungen mit der FPÖ auf. Man solle „doch noch versuchen“, mit der ÖVP eine „breitere Koalition“ zu bilden.

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Der bemerkenswerte Appell fand ebenso wie alle anderen SPÖ-Warnungen und Proteste kein Gehör. Nicht einmal zwei Stunden später trat Niessl weitgehend unbeeindruckt von den Widerständen mit FPÖ-Landeschef Johann Tschürtz im Eisenstädter Landhaus vor die Medien, um nur fünf Tage nach der Landtagswahl den Abschluss des rot-blauen Regierungspakts zu verkünden. Es ist die erste SPÖ-FPÖ-Koalition auf Landesebene nach dem Beschluss beim SPÖ-Bundesparteitag im November 2004, mit dem eine Koalition der SPÖ mit der FPÖ abgelehnt wird.

Die Auswirkungen erschüttern die SPÖ weit über das Burgenland hinaus. Die bisherige Linie von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann und von Österreichs Sozialdemokratie ist sehr ramponiert, auch wenn Faymann prompt bekräftigte, für ihn komme Rot-Blau mit der Bundes-FPÖ weiterhin nicht infrage: „Mit mir nicht.“ Zu den empörten Reaktionen vor allem der Parteijugend und des linken Flügels kommt ein schwerer Imageschaden bei Intellektuellen. Künstler wie Lukas Resetarits, die im Unterstützungskomitee für Niessl waren, sind entrüstet über den SPÖ-FPÖ-Koalitionspakt.

Lacina: Führungsschwäche Faymanns

Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina (SPÖ) warf Faymann in der „Kleinen Zeitung“ eine „ganz akute Führungsschwäche“ vor. Noch vor den Wahlen in Oberösterreich und Wien müssten Konsequenzen gezogen werden. Der Pakt sei ein Problem der Gesamtpartei. Traiskirchens roter Bürgermeister Andreas Babler forderte via Twitter offen, eine Trennung von Kanzlerfunktion und Parteivorsitz müsse her „und beides ohne Werner F.“

Der Strudel der Ereignisse riss die Bundes-SPÖ mit. Neben den Zusicherungen der Parteispitze, das Nein zur FPÖ bleibe aufrecht, wurde die volle Verantwortung für den Pakt mit der FPÖ SPÖ-Landeschef Niessl aufgebürdet. Der habe schon vor der Wahl gesagt, „dass Rot-Blau für ihn eine Option ist“, stellte Faymann in einer Aussendung fest. Und: „Jeder hat seine Vorgangsweise dort zu verantworten, wo er von seinen Wählern sowie seiner Partei gewählt wurde.“ Faymann bekräftigte: „Ich habe nie verschwiegen, dass ich dazu eine andere Haltung habe, und bei dieser werde ich bleiben.“ Es war seine erste öffentliche Äußerung dazu seit Dienstag dieser Woche. Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, selbst Burgenländer, sprang Faymann bei. Der Pakt sei Niessls Entscheidung. Zur Rechtfertigung für dessen Vorgehen meinte er gegenüber der Austria Presse Agentur, Niessl habe eine Dreierkoalition von ÖVP/FPÖ/Liste Burgenlandverhindern müssen.

Kultusgemeinde-Vergleich erzürnt FPÖ

Der Burgenland-Deal ließ die Animositäten zwischen Israelitischer Kultusgemeinde mit Präsident Oskar Deutsch und der Freiheitlichen Partei voll aufbrechen. Deutsch wiederholte während der rot-blauen Verhandlungen: „Keine Koalition mit den Hetzern!“ Die Wogen ließ seine Anspielung auf die NSDAP hochgehen: „Vergessen sind die historischen Beispiele, als demokratiefeindliche Kräfte zuerst gewählt wurden, bevor sie die Macht an sich rissen.“ FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl bezeichnete diesen Vergleich als „absolut unangebracht und beschämend“.

An dem Abschluss der Verhandlungen in Eisenstadt änderte der Appell der Kultusgemeinde ebenso wenig wie die Protestaktion der SPÖ-Parteijugend vor der SPÖ-Zentrale: „Verrat“ stand groß in Versalien auf dem Plakat, das aus einem oberen Stockwerk der SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße hing. Der SPÖ-Führung gefiel das gar nicht. Das Plakat musste weichen und wurde an weniger sichtbarer Stelle im Erdgeschoß wieder befestigt. Der Juso-Widerstand bleibt: „Die FPÖ ist eine rechte und rassistische Partei“, sagt SJ-Chefin Julia Herr. Der SPÖ-Studentenverband VSStÖ und die Roten Falken forderten sogar, Niessl aus der SPÖ auszuschließen.

SPÖ-BESCHLUSS: NEIN ZUR FPÖ

Koalitionsverbot. Beim SPÖ-Bundesparteitag Ende November 2004 wurde der Antrag der Sozialistischen Jugend (SJ) „Keine Koalitionen mit einer rechtspopulistischen FPÖ“ beschlossen. Der Antrag ist bis heute gültig und sieht keine Einschränkung auf Bundes- oder Landesebene vor. Es gab 15 Gegenstimmen sowie neun Enthaltungen. In diesem Antrag wurde unter anderem betont, es sei „ein törichter Irrglaube“, dass „diejenigen, die sich enttäuscht von der SPÖ in Richtung FPÖ abgewandt haben, nun nur deswegen zu uns zurückkehren, weil manche in der SPÖ mit FPÖ paktieren wollen“. Weiter heißt es: „Deutschnationale, fremdenfeindliche und antisemitische Töne prägen seit ihrer Gründung bis heute das Gedankengut der FPÖ.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2015)

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