Eine Heeresreform – die wievielte?

 HELMUT ZILK
HELMUT ZILK(c) APA (Helmut Fohringer)
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Die Zilk-Kommission. Vor zehn Jahren schrumpften die Experten das Bundesheer und wollten dafür mehr Budgetmittel. Sie scheiterten damit – so wie heute auch.

Die Sache begann ganz gut, auch wenn die Ausgangsposition eher skurril war: Da er vom Bundesheer zu wenig verstand, holte sich 2003 Verteidigungsminister Günter Platter (V) einen SPÖ-Pensionisten, der zwar auch wenig Ahnung hatte, dafür aber umso größeres politisches Gewicht: Helmut Zilk. Der weithin populäre Ex-Bürgermeister Wiens, vormals Showmaster, TV-Intendant und Unterrichtsminister, sollte wieder einmal eine Bundesheer-Reform zuwege bringen, man zählte schon nicht mehr, die wievielte es seit der Armeegründung 1955 war.

Man schrieb damals gerade an einer Zilk-Biografie, weil man mit Verwunderung festgestellt hatte, dass es gerade über diesen so schillernden, polternden, charmanten Politiker keine Biografie gab. Also stand man mit dem Pensionisten in engem Kontakt. „Kumm umi, Scheiderl, i' hab wieder was g'funden“, so lautete meistens der Anruf. Und man eilte. Dagi Koller hatte vorsorglich schon beim Meinl etwas eingekauft...

Diesmal freilich brauchte er anderes: ein Privatissimum über das Bundesheer. Man tat es gern. Man redete ihm zu, er habe als Einziger (und wohl auch als Letzter) die Durchsetzungskraft, eine Reform an Haupt und Gliedern durchzuboxen: einen sechsmonatigen Dienst an der Gesellschaft – für Burschen und Mädchen gleichermaßen, nach eigenem Gusto beim Bundesheer oder im Zivildienst. Zilk notierte damals alles fein säuberlich auf gelben Zetteln – er war sehr angetan von der Sache: „So mach' ma's!“

Einen Monat später dann der Anruf in der Redaktion: Das könne man alles vergessen. Die Frauen aus allen Parteien lehnten schon in der ersten Sitzung ab, die Landeshauptleute ebenso. Eine große Chance war vertan.

Trotzdem: Zilk nahm die Sache und seinen Auftrag sehr ernst. Papiere wurden gewälzt, viele Generalstäbler fanden für Monate eine sinnvolle Betätigung. Eine Zeit lang wollte Zilk sogar das heikle Thema Berufsheer auf die Agenda setzen, aber das wurde stillschweigend beerdigt. Immerhin benötigte man die Wehrpflichtigen für den permanenten Assistenzeinsatz entlang der ungarischen Grenze im Burgenland.

Das Ergebnis wurde 2005 unter dem hochtrabenden Titel „Management ÖBH 2010“ in mehr als dreißig Teilprojekten der Politik vorgelegt. Dass das gut gemeinte Projekt auch die nötigen Geldmittel erfordert hätte, wussten zwar alle Beteiligten, aber damit wollte man die Öffentlichkeit nicht belästigen. Zilk sagte es laut, man überhörte es.

Die Mobilmachungsstärke wurde von 110.000 Mann (die nie vorhanden waren) auf 55.000 herabgesetzt (auch dies wurde nie erreicht); die Miliz wurde als „unverzichtbarer Bestandteil des Heeres“ bezeichnet (in „logischer Folge“ stellte der Heeresminister wenig später aus Geldmangel alle Übungen ein). Die oberste strategische Führungsebene wurde schlanker: Es gibt seit damals nur noch zwei Kommanden.

Die fünf Brigaden reduzierte man auf vier, die Bataillone von 57 auf 39. Der Grundwehrdienst wurde nun auch offiziell auf sechs Monate verkürzt (damit kürzte man den Zivildienst von zwölf auf neun Monate), Kasernen und Amtsgebäude sollten teuer verkauft werden, um dringend benötigte Investitionsmittel zu erlösen. Eine Kalkulation, die sich nur teilweise bestätigte.

Dies alles wurde vom Ministerrat im Mai 2005 gebilligt – unter Vorsitz des soeben wieder hochgejubelten Wolfgang Schüssel, dem kein besonderes Naheverhältnis zur Armee nachgesagt werden kann. Als Klubsekretär ließ er sich vom Wehrdienst befreien, 1999 präferierte er – damals noch als Vizekanzler – in der TV-„Pressestunde“ ein Berufsheer: ab dem Jahr 2001 eine Truppe mit 30.000 bis 40.000 Profis, ergänzt durch eine freiwillige Miliz – also ungefähr jenes SP-Modell für die Volksbefragung im Jänner 2013. Da war der einfache Abgeordnete Schüssel aber wieder ganz auf Linie – nämlich dagegen.

Heute ist die Situation noch viel bedrohlicher als vor zehn Jahren. Aber Helmut Zilk ist tot. Und so bewahrheitet sich das Bonmot des großen Feldherrn Eugen von Savoyen: „Sie schreien nach uns um Hilfe, wenn ihnen das Wasser in das Maul rinnt, und wünschen uns vom Hals, kaum als einen Augenblick dasselbige verschwunden.“

Nächsten Samstag:
Juli 1985: Der Tod des Botschafters Herbert Amry.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2015)

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