Florian Teichtmeister: „Im Zweifelsfall bin ich in der Revolte“

Florian Teichtmeister.
Florian Teichtmeister.(c) Teresa Zötl
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„Sonniger junger Mann? Das täuscht!“ Sagt der Schauspieler Florian Teichtmeister. Richard III. und Hamlet sind seine Lieblingsfiguren. Shakespeare spielt er heuer auch in Salzburg.

In „Komödie der Irrungen“, heuer bei den Salzburger Festspielen auf der Halleiner Perner Insel zu sehen, geht es um zwei Zwillingspaare, Herr und Diener, die ständig verwechselt werden und glauben, sie sind selbst verrückt. Wie steht es bei Schauspielern, bei Ihnen, mit Untiefen im Gehirn?

Florian Teichtmeister:Beinahe in jedem Menschen gibt es Untiefen, die Frage ist, wie man damit umgeht. Die eigenen Untiefen neigen dazu, größer zu werden, wenn man sie verleugnet. In meiner Ausbildung zum Schauspieler gab es eine Phase, in der ich über mich erschrocken bin, wie empathisch ich mit Verbrechern und Mördern sein kann.

Was war denn Ihre Lieblingsrolle in der Schauspielschule?

„Richard III.“

Sie wirken wie ein sonniger junger Mann.

Sonniger junger Mann? Das täuscht.

Im Privatleben sind Sie beständig. Sie sind seit langer Zeit mit derselben Frau zusammen, ein Wunder in Ihrer Branche.

Meine Frau ist nicht aus der Branche, sondern Lehrerin. Ich habe das Gefühl: Der Kern eines Menschen bleibt unverändert. Das ist mir auch sehr wichtig. Manche Leute verändern sich stark durch die Schauspielerei. Da sagen dann die Freunde: Was ist denn mit dir, was redest du so komisch?

Sie erleben seit einiger Zeit so etwas wie einen Hype. Nach großen Rollen im Theater in der Josefstadt, sind Sie am Burgtheater als Tischler Leim in Nestroys „Lumpazivagabundus“ zu sehen und in der Paraderolle des Dr. Jura in Hermann Bahrs „Konzert“ im Akademietheater. Jetzt spielen Sie in Salzburg – und Sie haben auch viel gedreht.

Das Beste, was man über das Theater sagen kann, ist, dass man keine Karten kriegt, wie beim „Konzert“. Da lebt das Theater, auch wenn das natürlich kein Qualitätsmerkmal sein muss. Ja, klar freue ich mich – sehr! Für mich ist wichtig, dass die Menschen nicht sagen, ah, der Teichtmeister spielt das jetzt. Der Teichtmeister soll nicht stärker werden als die Figuren.

Sie haben eine Vorliebe für gefährliche Sportarten, Fallschirmspringen, Paragliden, Klettern, Skifahren. Dürfen Sie das tun?

Ich mache bis auf Tauchen alle gefährlichen Sportarten, die einem Schauspieler verboten sind. Aber es wird immer schwieriger. Vor allem beim Film hängt ein Rattenschwanz an Konsequenzen am Risiko. Die Gründe dagegen, sich in Gefahr zu bringen, sind meist finanzieller Natur. Ich finde die persönliche Freiheit wichtig.

Sie spielen auch Golf. Das ist harmloser.

Ich habe, glaub ich, mit zwölf Jahren begonnen, Golf zu spielen. Dass es auch ein Statussport für reiche Menschen ist, interessiert einen in dem Alter überhaupt nicht. Ich hab damit begonnen, weil es mir Spaß gemacht hat, auf einen Ball draufzuhauen.

Werden Sie auf der Straße angesprochen?

Wenn ich mich normal benehme, nicht. Im Ernst: Es passiert manchmal nach einer Vorstellung oder einer Lesung. Darüber freue ich mich immer. Ich habe in meinem Leben wenig Autogramme geholt. Jedes Mal hatte ich Herzklopfen. Eins der Autogramme ist von Oskar Werner, den ich sehr bewundere. Das hat mir eine Dame geschenkt, die es als Mädchen bekam. Das zweite Autogramm ist von David Larible vom Zirkus Roncalli. Ich liebe Clowns. Der Clown muss eine Geschichte erzählen, wie David Larible, als er erfuhr, dass der dumme August krank ist und er seine Rolle übernehmen soll. Natürlich war das Dramaturgie. Larible hat durch den Abend geführt. Am Ende kam der weiße Clown und sagte: „Schmink dich ab, morgen spielt wieder der dumme August.“

Wie traurig.

Der halbe Zirkus hat geweint, ich auch. Ich kenne das so gut, wenn man sich von der Rolle wieder zurückverwandeln muss.

Sind Sie Schauspieler geworden, weil Sie gern ins Theater gehen?

So hat es begonnen. Shakespeare hat mich zum Schauspieler gemacht. Mit 16 habe ich „Hamlet“ gelesen.

Ich konnte den Hamlet als Jugendliche nicht leiden. Ich war voller Energie und Begeisterung. Diesen Zauderer fand ich öde.

Sie waren eine junge Frau, ich war ein junger Mann, das ist ein großer Unterschied. Mit 16 wächst man als Bursch in die Phase hinein, in der man sich sagen muss: Wer bin ich überhaupt, wer will ich sein, wofür will ich kämpfen. Wie ist das Verhältnis zum Vater?

Ihr Vater ist Notar. Hat er gehofft, dass Sie die Kanzlei übernehmen?

Er hat nie Druck gemacht. Die Sache mit Shakespeare war die, er gilt ja als schwer – und schwer verständlich. Ich habe ihn sofort verstanden, die Sprache, den Witz, die Musikalität. Natürlich sieht man in jeder Lebensphase etwas anderes an Shakespeare, was einen fasziniert oder berührt. Mit 16 war es z.B. der Satz „Ich will Grund/der sichrer ist.“ Ich habe damals eine Theatergruppe gegründet – und der Hamlet war meine erste Rolle.

Sie sind in eine katholische Schule gegangen. Hat Theater etwas mit Religion zu tun, ist es so eine Art Messe?

Ich glaube schon. Das Ritual ist ähnlich, auch wenn das Theater in sich freier ist, man darf etwas dagegen sagen, aber letztlich befindet man sich in einem Ritual. Auch Leiden und Quälerei gehören dazu, wenn eine Vorstellung so lang dauert wie die Ostermesse, dann hält man trotzdem durch, und nachher sagt man mit einem gewissen Stolz: Puh, das habe ich geschafft!

Was mögen Sie am Theater? Oft wird ironisiert, vor allem bei Liebesgeschichten.

Man soll jetzt immer diesen kleinen Spalt zwischen der Figur und dem Schauspieler sehen. Bert Brecht hat dazu noch ein Schild malen lassen: Ich bin's nicht! Es wird kokett damit gespielt, dass man gleichzeitig die Figur ist und nicht ist. Dadurch wird alles möglich, man kann bei einem Kleist sagen: „Jetzt hast du aber den Arsch offen!“ Und dann im Originaltext fortsetzen. Das soll modern sein, aber oft finde ich es bloß beliebig. Durch die Ironisierung entsteht manchmal, nicht immer eine Verharmlosung. Für mich ist es prinzipiell so: Entweder das Theater bewegt mich oder eben nicht.

Worum geht es in Ihrem neuen Film?

Es ist ein Krimi. Er heißt „Der Tote vom Untersberg“. Ich spiele einen Polizisten, der nach einem Paragliding-Unfall im Rollstuhl sitzt. Er soll in Frühpension geschickt werden, bewirbt sich aber intern für eine Leitungsstelle in Salzburg. Da man bei Bewerbungen Gott sei Dank eine körperliche Behinderung nicht mehr angeben muss und er der qualifizierteste Bewerber ist, wird er genommen.

Sie haben schon öfter in Krimis gespielt, in „Soko Kitzbühel“, „Tatort“. Was mögen Sie lieber, Drehen oder Theaterspielen?

Ich mag beides. Momentan bevorzuge ich horizontale Erzählweisen, längere Filme, mehrere Folgen wie z.B. bei „Altes Geld“ von David Schalko. Ich schaue mir solche Sachen auch lieber an. Ich mag Filme, für die es ein originäres Drehbuch gibt, ein Team oder einen Regisseur, der sich mit Herzblut und Mut engagiert. Im Gegensatz zu dem kalkulierten Quotenerfolg mit einem vollkommen austauschbaren Drehbuch, das mit der einen oder anderen harmlosen Aufregung dann auch noch viel Medienpräsenz bekommt.

Ich habe gelesen, Sie waren früher einmal ein Punk. Was war das Punkige an Ihnen?

Wenn ich das behaupten würde, wäre das ein Etikettenschwindel. Ich war vielleicht ein Möchtegern-Punk. Was über die Punk-Bewegung im Sinne der 1980er-Jahre hinaus gültig – und immer noch in mir ist: Es wird aus allem ein System gemacht. Das verursacht mir Unbehagen. Nach Camus würde ich sagen: Man befindet sich als politischer Mensch immer in der Revolte oder in der Resignation. Ich bin im Zweifelsfalle in der Revolte. Ich fasse das heiße Eisen an und spreche Dinge an, auch auf die Gefahr hin, dass es Bröseln gibt.

Würden Sie sich politisch engagieren?

Um mit Oskar Werner zu sprechen: Jeder Schauspieler ist in gewissem Sinne politisch. Aber in der Welt der Berufspolitiker und Politikdarsteller habe ich nichts verloren. Ich sage, was ich über die Welt denke, aber ich fühle mich nicht berufen, über die Krise im Nahen Osten oder über Putin zu reden. Prominente machen das ja manchmal gern, Schauspieler, Musiker, treten in politischen Talk-Runden auf. Da denke ich mir dann: Warum? Ich sähe dann lieber einen Fachmann dort sitzen, der seine Theorien darlegt, als einen Menschen, der interessant sein soll, bloß weil ich ihn kenne. Da würde ich einfach dankend ablehnen.

Steckbrief

1979
Florian Teichtmeister wird in Wien geboren. Nach der Matura absolviert er das Reinhardt-Seminar.

2005
Engagement an der Josefstadt: viele Hauptrollen u.a. in Tschechows „Die Möwe“, „Geschichten aus dem Wiener Wald“, „Liebelei“. 2015/16: Jean in Strindbergs „Fräulein Julie“ (ab 6. 10.). Den Hamlet spielte Teichtmeister 2010 bei den Sommerspielen in Perchtoldsdorf.

Filme/TV
U-Richter Leo Pfeffer in Andreas Prochaskas „Das Attentat. Sarajevo 1914“,, „Der Sommer der Gaukler“, „Der Fall des Lemming“ und in der David-Schalko-Serie „Altes Geld“.

2015
Teichtmeister gibt bei den Salzburger Festspielen den „verdoppelten“ Diener in der „Komödie der Irrungen“. Im Spätherbst kommt der Krimi „Der Tote vom Untersberg“ ins
Fernsehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2015)

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