Terror-Prozess: Vom Jihad zum Sommerurlaub

WIENER ISLAMISTEN-VERFAHREN: TERRORPROZESS GEGEN ZEHN ANGEKLAGTE: SICHERHEITSKONTROLLEN
WIENER ISLAMISTEN-VERFAHREN: TERRORPROZESS GEGEN ZEHN ANGEKLAGTE: SICHERHEITSKONTROLLEN(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Mit einem Aufmarsch von zwei Dutzend schwarz maskierten Wachebeamten startete am Montag in Wien ein Strafverfahren gegen zehn mutmaßliche Mitglieder der Terrororganisation IS.

Wien. In dem Reigen der derzeit in Österreich anhängigen Strafverfahren wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation IS (Islamischer Staat) ragt jenes heraus, das am Montag in Wien begann: Gleich zehn Angeklagte – so viele gab es bisher noch nie – müssen sich ab sofort als „Unterstützer“ und „Mitglieder“ des IS verantworten. Neun der zehn hatten vorigen August versucht, sich mit zwei Autos in die Türkei durchzuschlagen. Von dort sollte, laut Anklage, die Reise weitergehen. Nach Syrien. Die jungen Leute (einer war erst 17) scheiterten aber schon bei der Ausreise aus Österreich.

Vor dem Gebäude des Grauen Hauses, wie das Landesgericht für Strafsachen Wien im Volksmund genannt wird, waren schon ab der Früh an mehreren Stellen Wega-Beamte postiert. Im und vor dem Großen Schwurgerichtssaal, der auch vom Verfassungsschutz überwacht wurde, waren dann noch etliche Uniformierte der Wega (Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung) verteilt. Quasi als Höhepunkt dieser „Leistungsschau“ der Exekutive marschierten etwa zwei Dutzend mit Glock-Pistolen bewaffnete Justizwachebeamte auf. Sie waren mit schweren Splitterschutzwesten ausgestattet, trugen aber keinen Schutzhelm, was inkonsequent wirkte. Dafür aber – dies wiederum im Gegensatz zur Wega – schwarze Masken.

Wo beginnt Strafbarkeit?

Erst nachdem die im Saal derart martialisch auftretende Justizwache breitbeinig Aufstellung genommen hatte, nahmen die schüchtern wirkenden Angeklagten ihre Plätze auf der Anklagebank ein. Für Ratlosigkeit unter Medienvertretern sorgte der Umstand, dass im Saal auch schon Fotografierverbot galt, als noch gar niemand der Prozessbeteiligten anwesend war.

Zur Sache: Neun gebürtige Tschetschenen, also russische Staatsangehörige, und ein Österreicher türkischer Abstammung werden von Staatsanwältin Stefanie Schön dafür verantwortlich gemacht, den IS „logistisch, finanziell, psychisch“ und „ansonsten“ unterstützt zu haben. Dieses „Ansonsten“ bot der Verteidigung freilich eine große Angriffsfläche. Die Anklage mache es sich zu leicht, hieß es. Sie sei wenig konkret. Eine Fahrt nach Syrien sei für sich betrachtet noch nicht strafbar. Und somit war man mitten in den rechtlichen Untiefen der Terroranklage. Ab wann ist etwas nur straflose Vorbereitung oder gar nur Gesinnung? Ab wann ist man schon so etwas wie ein Terrorist?

Wie kann man eine Terrororganisation „psychisch unterstützen“, wenn man Tausende Kilometer weit vom Geschehen weg ist? Dieser Vorwurf sei doch absurd, meinte etwa Verteidiger Oliver Ertl. Andere Verteidiger wiederum ließen sich auf die Frage, ab wann man IS-Mitglied sei, gar nicht ein. Ihre Klienten, so meinten sie, hätten bei der vom Einsatzkommando Cobra gestoppten Ausreise nicht versucht, in die syrischen oder irakischen Kriegsgebiete zu gelangen. Sie hätten lediglich vorgehabt, Sommerurlaub zu machen. Übrigens: Unter den neun Ausreisewilligen befindet sich auch eine 19-Jährige, die in U-Haft ein Kind auf die Welt gebracht hat. Diese junge Frau sitzt nun im Tschador im Gerichtssaal.

Einer der Angeklagten gibt nun an, er habe Griechenlandurlaub machen wollen. Ein anderer sagt, er habe sich für Bulgarien entschieden. Und einer habe Verwandte in der Türkei besuchen wollen. Ein einziger Angeklagter gesteht: „Ich wollte den islamischen Staat aufbauen.“ Richter Andreas Hautz verlas daraufhin Chat-Protokolle des 22-Jährigen, wonach dieser angab, er sei „glücklich“, in einer Zeit zu leben, „in der das Kalifat wieder aufgebaut wird“. Weiter schrieb der junge Mann, er werde an einem Wettbewerb teilnehmen, bei dem es darum gehe, so viele Ungläubige wie möglich zu töten.

Jener Mann, der gemäß Anklageschrift die Fahrten in den Jihad organisiert hatte, der türkischstämmige Yunus F. (34), gab nun an, ihm sei es darum gegangen, Taschengeld zu verdienen. Eigentlich habe er Autos in die Türkei überstellt und verkauft, die Tschetschenen habe er gegen Geld mitgenommen. Er habe angenommen, dass diese zum IS wollten. „Ich habe gedacht, wenn man mich erwischt, komme ich mit einem blauen Augen davon, also mit einer Geldstrafe.“ Der Prozess wird heute, Dienstag, fortgesetzt.

Neue IS-Anklage fertig

Im Schatten dieses Verfahrens hat nun die Staatsanwaltschaft Salzburg eine neue Anklage gegen eine 16-jährige, in Salzburg lebende Tschetschenin und eine 17-jährige gebürtige Bosnierin, die in Oberösterreich lebt, erstellt. Auch diesen beiden wird Beteiligung an der Terrormiliz IS zur Last gelegt. Ihr Versuch, nach Syrien zu gelangen, war von rumänischen Grenzbeamten vereitelt worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2015)

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