Spanien/Marokko: Hasch-Highway nach Europa

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Spanien/Marokko. Über das Meer zwischen beiden Staaten kommen 75 Prozent des in Europa verbrauchten Haschischs, jährlich über 1500 Tonnen. Die Schmuggler sind schneller als die Polizei.

Sie rasen meist nächtens übers Meer. Mit schnellen, motorisierten Schlauch- oder Kunststoffbooten, die auf mehr als 100 Stundenkilometer beschleunigen können und so oft der Küstenwache entkommen. Es sind mit Drogen voll gestopfte Boote, die mittlerweile fast täglich irgendwo von der Nordküste Marokkos, manchmal auch vom benachbarten Algerien, ablegen und im Schutz der Dunkelheit mit voller Kraft südspanische Strände ansteuern. Dort wird die heiße Ware blitzschnell entladen und mit Geländewagen abtransportiert.

Der Schmuggel mit Haschisch übers Mittelmeer floriert dermaßen, dass die spanischen Sicherheitskräfte von einer Drogenautobahn nach Spanien bzw. Europa sprechen. Das nordafrikanische Land Marokko (rund 34 Millionen Einwohner) von König Mohammed VI. ist nach Afghanistan der zweitgrößte Haschischproduzent der Welt. Und durch die Nähe der spanischen bzw. andalusischen Küste, die an der Meerenge von Gibraltar an der schmalsten Stelle nur etwa 14,5 Kilometer von Marokko entfernt ist, wurde das südeuropäische EU-Land zu Europas Einfallstor für Haschisch. „Das Mittelmeer ist die heißeste Haschischroute Europas“, heißt es in Spaniens Innenministerium.

Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich regelmäßig vor der andalusischen Küste, vor allem im Großraum um die Meerenge zwischen Cádiz im Westen und Marbella im Osten abspielt. Zoll und Drogenfahnder versuchen, mit Hubschraubern und Patrouillenbooten das Meer zu überwachen. Wärmebildkameras und Radar sollen helfen, auch bei Nacht und Nebel die Transporter aufzuspüren.

„Wir kommen nicht mehr mit“

Und die Schmuggler geben, wenn sie denn entdeckt werden, erst recht Vollgas. Dank ihrer Millionenumsätze können sie sich modernste Highspeedboote leisten, die mit bis zu 1000 PS sogar bis zu 120 Stundenkilometer beschleunigen können.

Auch hochmotorisierte und wegen ihrer geringen Größe noch schwerer zu ortende Jetski werden benutzt. „Da kommen wir mit unseren Schiffen nicht mehr mit“, berichtet ein spanischer Beamter aus eigener Erfahrung.

Manchmal kommt es sogar vor, dass Ballen aus Haschisch per Helikopter oder Sportflugzeug im extremen Tiefflug von Küste zu Küste transportiert werden. Zudem kommen Drogen auf regulären Routen in Pkw oder Lastwagen versteckt auf Mittelmeerfähren, aber diese Mengen sind im Vergleich wesentlich kleiner.

(c) Die Presse

Zehntausende Haschbauern

Spaniens Antidrogenbehörde schätzt, dass höchstens jeder fünfte Drogentransport über das Mittelmeer abgefangen wird. Zwar beschlagnahmen die Fahnder jedes Jahr mehr als etwa 300 Tonnen Haschisch. Doch wenigstens 1500 Tonnen dieser Rauschsubstanz, die aus der Cannabispflanze gewonnen wird, kommen demnach jährlich ungehindert ins Land und werden dann über ganz Europa verteilt.

Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge stammen rund 75 Prozent des in Europa meistgerauchten, bisweilen gegessenen Haschischs aus Marokko, wo zehntausende Bauern im nördlichen Rif-Gebirge vom Cannabisanbau leben. Die Einnahmen der marokkanischen Drogenmafia, die einflussreiche Verbündete in Marokkos Sicherheits- und Staatsapparat haben soll, werden auf enorme zehn Prozent des marokkanischen Bruttoinlandsproduktes geschätzt.

Alternative in Armutsregion

Das gut organisierte Geschäft übers Meer ist aber weitgehend in der Hand spanischer Schmuggler, von denen viele aus der südspanischen Armutsprovinz Cádiz kommen. Eine Küstenregion mit mehr als 40 Prozent Arbeitslosigkeit, in der die Menschen in besseren Zeiten von Fischfang, Welthandel und Schiffsbau lebten. Heute füllen Haschischgeschäfte die Haushaltskasse mancher Familie auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2015)

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