TTIP-Votum verschoben: Rote Linien

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Die EU-Abgeordneten geben die Verhandlungslinie zum US-Abkommen vor. Ein Spiegelbild der großen Differenzen.

Straßburg. Trotz gegenteiliger Behauptungen von Barack Obama und Angela Merkel mahlen die handelspolitischen Mühlen langsam. Zwar haben der US-Präsident und die deutsche Bundeskanzlerin vergangenes Wochenende die Bühne des bayerischen G7-Gipfeltreffens auf Schloss Elmau dazu genutzt, für einen möglichst raschen Abschluss der Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zu plädieren, doch an den Vorbehalten und Verdächtigungen der Verhandlungspartner ändert diese Deklaration denkbar wenig.

Das Europaparlament hat das ursprünglich für Mittwoch angesetzte Votum über seine Position zu den Verhandlungen verschoben. Die Vorschläge geben indessen einen komprimierten Überblick über all die Zerwürfnisse wieder, die die EU-Mitglieder punkto TTIP plagen. Der ehrgeizige Pakt, über den EU-Kommission und US-Regierung seit zwei Jahren verhandeln, soll einerseits Handel und Wirtschaftsleistung der beiden Partner pushen und andererseits globale Standards setzen. Und genau hier fangen die Probleme an, denn bei den Standards klaffen die Vorstellungen teils meilenweit auseinander. Der momentan größte Zankapfel ist die sogenannte Investoren-Schiedsgerichtbarkeit (ISDS), bei der es darum geht, international agierende Unternehmen gegen Willkür der nationalen Behörden abzusichern.

Nach massiven Widerständen (vor allem in Deutschland und Österreich, wo die Aushöhlung des Rechtsstaats durch Konzerne befürchtet wird) präsentierte die für Handelsfragen zuständige Kommissarin, Cecilia Malmström, einen Kompromissvorschlag, der vereinfacht ausgedrückt darauf abzielt, das System der privaten Schiedsgerichte zu institutionalisieren – mit Instanzenweg, transparenter Richterwahl und Einspruchsmöglichkeiten. Ob die USA dem zustimmen, ist ebenso offen wie die Frage, ob Malmströms Konzept im Europaparlament Zuspruch findet.
Von Bedeutung ist das deshalb, weil die EU-Abgeordneten damit die Bedingungen für ihre spätere parlamentarische Absegnung von TTIP festlegen. Zwar ist im Entwurf der Resolution davon die Rede, dass der Vorschlag der Handelskommissarin die Basis für weitere Verhandlungen mit Washington sein müsse, doch am Dienstag machten mehrere Änderungsvorschläge in Straßburg die Runde, die darauf abzielen, von ISDS im Allgemeinen und der Schaffung eines internationalen Investitionsgerichts im Speziellen völlig abzurücken.

Widerstand von SPÖ

Dass die informelle Koalition aus Europäischer Volkspartei, Sozialdemokraten und Liberalen geschlossen für die Resolution stimmt, kann de facto ausgeschlossen werden. So hat etwa die Delegation der SPÖ im Europaparlament am Dienstag ihre roten Linien zu TTIP präsentiert – und darin ist davon die Rede, dass man die Vorlage ablehnen werde, sollten „unsere Änderungsanträge zum Investorenschutz nicht die nötige Mehrheit finden“. Den SPÖ-Europaabgeordneten geht es unter anderem darum, den Bezug auf Malmströms Vorschlag als Basis für weitere Gespräche mit den USA aus der Resolution zu streichen und einen Schlichtungsmechanismus zwischen Staaten und Investoren „ohne private ISDS-Schiedsgerichtbarkeit“ anzustreben – für die europäischen Verhandler eine ans Unmögliche grenzende Auflage.

Erschwert wird die Angelegenheit dadurch, dass die Ablehnung der Schutzklauseln nicht weit verbreitet ist – in der Zusammenfassung der Resolution auf der Website des Europaparlaments beispielsweise wird sie gar nicht erwähnt. Bundeskanzler Werner Faymann versucht nun, Verbündete in Europa zu finden. Vergangene Woche stattete er dem französischen Premierminister Manuel Valls einen Besuch ab, um ihn vor gefährlichen Sonderrechten für internationale Konzerne zu warnen. Vor allem im linken Flügel der französischen Sozialisten dürfte er damit Gehör finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2015)

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