Wiener Labels unter einem Dach

Cloed Baumgartner
Cloed Baumgartner(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach Modepalast, Top Swap und dem Label Milch hat Cloed Baumgartner mit Lieblingsbrand jetzt eine Onlineplattform für Wiener Designer gegründet.

Sie hat den Wiener Modepalast erfunden, ebenso die Tauschbörse Top Swap und führt mit Milch seit 15 Jahren ihr eigenes Upcycling-Modelabel. Dabei, sagt Cloed Baumgartner, interessiere sie Mode persönlich gar nicht besonders. Sie stattet sich selbst beim Kleidertausch aus, färbt alte Dinge nach, nur der eine Fleck – sie deutet auf eine Verfärbung auf ihrer Jacke – geht leider nicht raus. Mode, sagt sie, sei für sie jedenfalls etwas anderes: eine niederschwellige Möglichkeit, Innovationen auszuprobieren.

Jetzt ist es wieder einmal so weit: In den nächsten Tagen startet Lieblingsbrand, ein Onlineshop, der sich als lokaler Design-Store, nur eben im Netz, versteht. „Ich bin ja in der Szene und spüre die Trends. Ich merke, dass die großen Publikumsmessen wichtig waren, dass sich dadurch eine Kundschaft aufgebaut hat.“ Jetzt sei der Trend in Richtung Internet stark, es sei an der Zeit, die Brands gemeinsam ins Internet zu bringen. Nur dass es für die Onlineversion eines Multibrand-Stores kein Angebot gebe. „Und wenn's sonst keiner macht, mach ich's.“

Begonnen hatte es mit einer vorsichtigen Anfrage in einer geheimen Facebook-Gruppe; das Feedback der Designer war eindeutig. Jetzt, ein paar Monate später, sitzt Baumgartner vor ihrem winzigen Büro am Ottakringer Yppenplatz, wo sie seit Ende der Neunziger lebt und arbeitet, und plant die letzten Schritte. In den nächsten Wochen herrscht Open House, da werden die Designer mit ihren Laptops vorbeikommen und man wird die jeweiligen Webshop befüllen, was gemeinsam leichter und lustiger sei. „Coopetition“ ist das Schlagwort – als englische Kombination aus Wettbewerb und Kooperation –, unter dem Baumgartner hier agiert: Natürlich stünden die einzelnen Labels in Konkurrenz, und trotzdem sei man gemeinsam stärker. Und der Kunde, der eine schwarze Hose sucht, einfach besser dran. 140 Mode- und Accessoiremarken sollen im Onlineshop Platz finden, 100 sind im ersten Schritt dabei, rein exemplarisch erwähnt seien Mija t. rosa, Ylva, Freystil, Julie Strom, Katharina Schmid, Dörte Kaufmann, Ferrari Zöchling, Kindl oder Sbin.

Grüße vom Zusteller

„Lieblingsbrand wird schnell groß werden“, konstatiert Baumgartner, solle dabei aber menschlich und angreifbar bleiben: mit Einblicken in die jeweiligen Ateliers und Produktionsmethoden. „Die Produkte werden mit Information und Bewusstsein aufgeladen“, sagt sie. Bei ihrem eigenen Label Milch, für das sie alte Herrenhemden und -hosen verarbeiten lässt, käme online daher kaum je etwas retour. „Weil ich bewusste Kunden habe.“ Eine österreichische Variante von Etsy oder Dawanda sei man indes nicht: „Es geht um professionelle Designer und nicht um do it yourself.“ Leider, bedauert Baumgartner, sei sie auch diesmal ohne echtes Startkapital am Start: Wo denn das Lager sei, wer die Ware verschicke, hätten die Förderstellen gefragt, und nicht verstehen wollen, dass es die Labels selbst sind, die das organisieren. Die nötigsten Mittel hat sie via Crowdfunding und 147 Privatfinanciers selbst aufgestellt. Weitere innovative Pläne, die sie mit Lieblingsbrand hat, müssen daher vorerst warten. Weil aus Erfahrung auch viele Wiener online bestellen, wäre der nächste mögliche Schritt ein lokaler Botendienst als Social Business: Pensionisten etwa, die die Order verpackungsfrei im Papiersackerl zustellen – und einen schönen Gruß mitausrichten.

Baumgartner genießt „das Gefühl, etwas zu bewegen, es ist unglaublich befriedigend“. Dabei hat sie in Graz einst Germanistik und Französisch studiert – aus Spaß, und um „in Österreich“ Beruf und Titel vorweisen zu können. Daneben probierte sie sich aus, erkundete via Radio Helsinki die Grazer Kulturszene. Selbst genäht hatte sie immer schon – weil sie als Jugendliche am Land in Oberösterreich weder fand noch gekauft bekam, was sie wollte. Nach einer Zeit in Vietnam kam sie nach Wien, lebte erst von Geldjobs, später ganz von ihren Ideen. Mit dem Verkauf des Modepalasts finanzierte sie sich ein Studium in Innovationsmanagement. „Richtig geliebt“ habe sie es zu hören, wie das, was sie immer schon macht, im Fachjargon heißt. Inzwischen ist sie selbst Innovationsmanagerin – und gibt ihr Wissen durchaus weiter: „Denn Wissen teilen“, sagt sie, „ist Macht.

AUF EINEN BLICK

Lieblingsbrand versteht sich als One-Stop-Shop für alle Produkte und Dienstleistungen aus den österreichischen Creative Industries. Vorerst sind 100 Labels am Start. Der Webshop soll voraussichtlich nächste Woche, jedenfalls bis Ende Juni online gehen. www.lieblingsbrand.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2015)

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