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James Last, der Pionier des Easy Listening

FILE GERMANY OBIT JAMES LAST
FILE GERMANY OBIT JAMES LAST(c) APA/EPA (WILHELM BERTRAM)
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Nachruf. Orchesterleiter James Last, Botschafter der guten Laune, aber auch ehrbarer Jazzer, ist mit 86 Jahren in seiner Wahlheimat Florida gestorben.

Am 1. April bespielte er das letzte Mal die Londoner Royal Albert Hall mit seinem bacherlwarmen, längst aus der Zeit gefallenen Orchestersound. In sein charmant hüftsteifes Dirigat mit dem auf- und abwachelnden rechten Arm waren die Briten jahrzehntelang vernarrt. Es war Lasts 90. Auftritt in dieser Spielstätte. Das ist eine Zahl, von der selbst so langlebige Künstlerkollegen wie Tom Jones oder die Rolling Stones nur träumen können. Für den Triumph hat es nicht einmal US-Regisseur Quentin Tarantino gebraucht. Der hatte 2003 Lasts damals schon gut abgehangene, radikal kitschige Panflötenmeditation „Der einsame Hirte“ in den Blockbuster „Kill Bill“ eingebaut und ihn für eine neue Generation hip gemacht.

Sein Handwerk hat Last, der 1929 als Hans Last in Bremen geboren wurde, schon früh beherrscht. Ausgebildet in den Heeresmusikschulen Frankfurt/Main und Bückeburg waren Fagott, Kontrabass und Tuba seine ersten Instrumente. Ganz geheim pflegte er damals schon den Jazz. Unter der Hand kursierten Musikhefte mit Noten von amerikanischen Jazzkompositionen. Last war schon früh auf der Höhe der Zeit, was Unterhaltungsmusik betraf. Das half ihm nach dem Krieg bei den für das Überleben dringend notwendigen Engagements in den GI-Clubs auf deutschem Boden.

Baden in schaumigen Sounds

Last spielte Bass und versuchte sich immer häufiger als Arrangeur. Gleichzeitig arbeitete er als Bassist des Tanzorchesters von Radio Bremen. Dort gründete er auch sein erstes Ensemble, das Hans-Last-Orchester. Weitere Lehrjahre absolvierte er im NWDR-Tanzorchester in Hamburg, mit dem er Schlagersänger wie Bibi Johns, Vico Torriani und Peter Alexander begleitete. Nicht viel später arrangierte er Freddy Quinns großen Erfolg „Junge, komm bald wieder“. Daraufhin trudelten Aufträge aus der Schlagerwelt ein. Wencke Myhre, Caterina Valente und Lale Anderson, sie alle badeten ihre liebreizenden Stimmen in Lasts schaumigen Sounds. Durch sie bekam er Kontakt zum Plattenlabel Polydor, dem er viele Jahrzehnte treu blieb.

Sein Debüt unter eigenem Namen feierte er 1963 mit „Die gab's nur einmal“, einer sachten Neuinterpretation von Schlagern der Vierzigerjahre. Stets der Lebenslust zugeneigt, verweigerte Last Mitte der Sechzigerjahre die lebenslange Anstellung beim NDR. Vom regen Partyleben in seiner Hamburger Wohnumgebung inspiriert, erfand er Jahre, bevor es Diskotheken gab, den Happy Sound und das Konzept des Nonstop-Dancing. Beides schlug mächtig ein. Als besonderen Effekt lud er Leute ins Studio ein und versorgte sie mit reichlich Alkohol. Das bald einsetzende Johlen und Lachen nahm er auf sein Album „Non Stop Dancing 65“ mit hinauf.

Es sollte die Partykeller der noch jungen Bundesrepublik Deutschland im Sturm erobern und Grundlage der Weltkarriere von Last werden. Last offerierte darauf ein heiteres Medley aus 28 Melodien, darunter sieben von den Beatles. Damit war er der erste Deutsche, der die Fab Four coverte. Last lehrte die Spießer ein gewisses Maß an Leichtigkeit, vermittelte ihnen die Popmusik der weiten Welt in appetitlichen Häppchen. Seine 1971 aufgenommene, heute als kultig empfundene Platte „Voodoo Party“ machte Otto Normalverbraucher mit der Musik von Santana, Sly Stone und Marvin Gaye bekannt. Mit der Kultur der Hippies kam der passionierte Campingurlauber auf Sylt in Fühlung.

In seinen besten Zeiten brachte Last bis zu acht Alben pro Jahr heraus. Seine Fans konnten nicht genug von seinen eskapistischen Sounds bekommen. Dabei versuchte er sich zwischendurch auch als Jazzer. Etwa 1975 auf dem ehrbaren Fusionalbum „Well Kept Secret“, das er mit amerikanischen Kapazitäten wie Ernie Watts und Tom Scott aufnahm. In den Achtzigerjahren zog Last nach Florida. Dass die USA für ihn als Musiker so ziemlich weiße Landkarte blieben, hat ihn ein wenig geärgert. Zum Trost gereichten mehr als 80 Millionen verkaufte Alben.

Der immer lächelnde Botschafter der guten Laune konnte auch politische Zeichen setzen. Als er 1972 auf dem Roten Platz in Moskau „Power to the People“ spielte, drehten ihm die kommunistischen Bonzen den Strom mittendrin ab. Der zuweilen geäußerte Vorwurf, er würde Plastikmusik machen, perlte locker an ihm ab. Ihm ging es allein darum, die Menschen glücklich zu machen. Irdische Mission erfüllt, jetzt braucht ihn offenbar der Himmel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2015)

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