Die „ewige“ Nummer zwei der Steiermark, Hermann Schützenhöfer, wird zur Nummer eins.
„Wer würde am Zenit seiner politischen Arbeit nicht gern Landeshauptmann sein?“ Diese rhetorische Frage, die Hermann Schützenhöfer in einem Interview mit der „Presse“ erst vor wenigen Tagen selbst stellte, klang mehr nachdenklich denn fordernd. Zurückhaltend eben. Wie die „ewige“ Nummer zwei der Steiermark auch den jüngsten Kurzwahlkampf angelegt hatte. Wobei allein das Wort „Kampf“ maßlos übertrieben erscheint. Jetzt ist der 63-jährige Steirer mit seltener Beharrlichkeit am Ziel angelangt. Als Schon-wieder-Nummer-Zwei bei der Wahl vor eineinhalb Wochen wird er jetzt die Nummer eins des Landes, Landeshauptmann in der Steiermark also.
Und erfüllt seiner ÖVP, der er als klassischer Berufspolitiker ununterbrochen seit Jugendtagen dient, einen zehnjährigen Traum – sich selbst so ganz nebenbei wahrscheinlich wohl auch. Schützenhöfer, manchmal, nicht zuletzt auch in der eigenen Partei, unterschätzt, bringt es auf dem Verhandlungstisch zuwege, einen aus ÖVP-Sicht „historischen Fehler“ zu korrigieren. Er schafft es, die Steiermark nach zehnjährigem roten Intermezzo an der Spitze wieder einzuschwärzen.
Mit Demut – gleich zweimal verwendet er, ganz typisch für ihn, bei der Pressekonferenz gestern, Mittwochnachmittag, nach der Entscheidung der Fortsetzung der Koalition mit der SPÖ diesen Begriff – wolle er sein Amt als Landeshauptmann in der Grazer Burg angehen. Dann und wann darf sich der Zuhörer von Schützenhöfers Reden oder Stellungnahmen an Predigten erinnert fühlen. Nicht ganz grundlos.
Denn der künftige steirische Landeshauptmann fühlt sich nicht ausschließlich und vielleicht gar nicht einmal zu allererst seiner Partei oder seinem Bundesland verbunden. Seine tiefe Verbundenheit mit der katholischen Kirche prägt ihn. Er trägt sie nicht kämpferisch vor sich her, sie leitet ihn aber im politischen Tagesgeschäft. In persönlichen Gesprächen philosophiert er dann und wann über soziale Grundsätze der Kirche und soll sein Gegenüber auch schon einmal korrigieren, wenn die Rede auf die christliche Soziallehre kommt. Eigentlich müsse es katholische Soziallehre heißen, sagt der frühere Ministrant, der im Pfarrhof aufgewachsen ist. Sein Vater war dort, nein, natürlich nicht als katholischer Priester, sondern als Forstarbeiter tätig.
Als „Linkskatholik“ verhöhnt
Als Schützenhöfer bedächtig, aber unbeirrt in der Landespolitik Karrierestufe um Karrierestufe emporschritt und eben den Arbeitnehmerbund ÖAAB anführte, reagierten viele in der ÖVP mit Kritik bis Häme, als er einen Mindestlohn für alle wollte. „Linkskatholik“ war eine der noch schmeichelhafteren Formulierungen für ihn. Am Mittwoch lächelt niemand mehr über ihn. Da hat er Reinhold Mittlerlehner den sechsten Landeshauptmann für die ÖVP geholt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2015)