Michael Häupls Dilemma

SITZUNG DES SPOe-BUNDESPARTEIPRAeSIDIUMS: HAeUPL
SITZUNG DES SPOe-BUNDESPARTEIPRAeSIDIUMS: HAeUPL(c) APA/HANS KLAUS TECHT
  • Drucken

Die Rathaus-SPÖ führt einen Wahlkampf an zwei Fronten. Über Rot-Grün will sie lieber nicht zu laut reden, und zur FPÖ fallen ihr – noch immer – keine Antworten ein.

Der Spruch ist alt: Schon 2005 ließ die FPÖ das „Duell um Wien“ plakatieren. Die Rathaus-SPÖ fand das damals putzig und sogar hilfreich – ein wenig Drama lässt die Genossen im Wahlkampf laufen. Insofern ist der Wiener Zweikampf heuer nicht neu. Trotzdem ist es anders. Das Drama ist realer, das Setting schwieriger für Häupls SPÖ. Denn sie steckt fest. Eingezwickt zwischen zwei Fronten.

Beginnen wir mit der harmloseren: der Bobo-Front. Bemerkbar machte sie sich zuletzt durch kleine Sticheleien. „Wir sind da für jene, die nicht in Bobo-Kaffeehäusern sitzen“, richtete Vizebürgermeisterin Renate Brauner schon von der 1.-Mai-Bühne herunter aus. Vorige Woche machte dann der „Bobokoffer“ (Copyright: A. M. Dusl) bei den Roten die Runde. Zufall ist das keiner: Die SPÖ weiß, dass viele Funktionäre und Wähler Rot-Grün skeptisch sehen. Unbedingt will man den Eindruck vermeiden, die Grünen hätten auf die SPÖ abgefärbt. Daher geht man auf Abstand zu den Sorgen der Soja-Latte trinkenden Innenstadt-Radfahrer und zu Lagerwahlkampfwünschen des Koalitionspartners. Auch über die Erfolge von Rot-Grün redet man lieber nicht zu laut.

Denn es könnten ja die Falschen hören, diejenigen, um die sich die SPÖ mit der FPÖ matcht. Doch auch an der blitzblauen Front ist es kompliziert geworden. Die alten Strategien (die ja nie so toll gegriffen haben) funktionieren nicht: Laut vor den grauslichen Blauen warnen? Seit die FPÖ mit Rot-Blau im Burgenland ihren „Do not touch“-Status verloren hat, klingt derlei auch in Wien etwas hohl, selbst wenn keiner glaubt, dass Häupl je mit Strache koalieren würde. Auch eine andere rote Taktik, nämlich den FPÖ-Klassikern Asyl und Kriminalität auszuweichen, klappt nicht, wenn sich ein Wahlkampf derart zuspitzt. Was die SPÖ in Verlegenheit stürzt: Burgenland und Steiermark haben gezeigt, dass ein Schwung nach rechts nur der FPÖ hilft. Was man sonst sagen soll, weiß man aber auch nicht so recht. Derzeit lautet die interne Strategie: Optimismus. Das klingt dann so: Fast trotzig forderte Häupl im „Mittagsjournal“, er bitte darum, dass man die Erfolge in Wien bei der Integration zur Kenntnis nehme. Und dass der Brunnenmarkt super sei. Ja eh. Und ja, es stimmt auch, dass in Wien keiner außer der FPÖ gegen Asylwerber demonstriert. Aber dass Häupl mit dem „Alles gut“-Spruch jene Nichtwähler erreicht, die zwischen Rot und Blau schwanken und die er will, darf man bezweifeln. Die spüren nämlich, dass aus verschiedenen Gründen (hohe Arbeitslosigkeit, Sparzwang) eben nicht alles so super ist, und die FPÖ bietet dafür einfache, wenn auch einfach unbrauchbare Lösungen.

Sprachlos. Wie weit die rote Sprachlosigkeit geht, hat auch die Reaktion der (Bundes-)SPÖ auf den indirekten Stopp von Asylverfahren durch die Innenministerin gezeigt. Denn auf eine „Presse“-Anfrage am Samstag sagte man: nichts. Aus Angst, zu links (oder rechts) zu sein, schweigt man, während die ÖVP auf Law and Order einschwenkt – Wilfried Haslauer schlägt ein Asylrecht auf Zeit vor (eine alte FPÖ-Idee), Sebastian Kurz will für Ausländer den Zugang zu Sozialleistungen erschweren. In der SPÖ vermutet man dahinter schon seit den Zeltstädten eine Intrige: Die ÖVP wolle der SPÖ durch Alarmismus schaden. Tatsächlich zwingt sie diese, Stellung zu beziehen. Was die SPÖ nicht kann, weil sie gespalten ist wie ihre Wähler zwischen Wien und dem Burgenland. Oder Mariahilf und Simmering.

Das Kunststück wäre, jemanden zu finden, der beides vereint: der vermittelt, dass er die Anliegen beider Seiten – also der Migranten und der skeptischen Bevölkerung – ernst nimmt, der Kummerkasten und Anwalt ist, der Sachlichkeit und Menschlichkeit in Einklang bringt. Die SPÖ-Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger macht keinen schlechten Job. Gebraucht würde aber jemand wie der Traiskirchner Bürgermeister, Andreas Babler, oder Sebastian Kurz (also, als er sich noch um Integration gekümmert hat). Doch den oder die hat die SPÖ nicht. Nicht im Bund, nicht in Wien. Dabei war seit 2005 wirklich genug Zeit für die Suche.

Emails an:ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Bürgermeister Michael Häupl rief am Montag das „Duell um Wien“ aus.
Wien

Häupl-Attacke: „FPÖ ist gefährlich“

Bürgermeister Häupl schwört 700 Funktionäre auf den Wahlkampf ein und präsentiert das „Blaubuch“ als Argumentation gegen die FPÖ.
FEIER ANL. 10 JAHRE FP�-BUNDESPARTEIOBMANN STRACHE
Wien

Wien-Wahl: Das rot-blaue Duell und die Statisten

Für die Wien-Wahl wurde wieder ein rot-blaues Duell ausgerufen. Das nutzt beiden Parteien. Grüne, ÖVP und Neos kämpfen indessen darum, mit ihren Inhalten durchzudringen.
Der Tabubruch im Burgenland sorgte für Demonstranten und Sympathisanten. Bürgermeister Häupl schließt eine Koalition für Wien aus.
Wien

So blau sind die Wiener Roten

Bürgermeister Häupl schließt eine Koalition mit der FPÖ aus – auf Bezirksebene gibt es Liaisons schon lang. Für die Partei sind Ideologie und Realpolitik zwei Paar Schuhe.
Archivbild: Bürgermeister Michael Häupl
Innenpolitik

Häupl attestiert Bundes-SPÖ Kommunikationsprobleme

Wiens Bürgermeister bekräftigt einmal mehr seine Ablehnung gegen eine rot-blaue Koalition in Wien. Für Gewerkschafter Katzian ist die Debatte über Rot-Blau im Burgenland "nicht ausgestanden".
LATVIA EASTERN PARTNERSHIP SUMMIT
Innenpolitik

SPÖ-Krise: Werner Faymanns Problemzonen

Das Schielen von Teilen der SPÖ auf die FPÖ desavouiert Werner Faymann. Für den SPÖ-Chef wird es spätestens nach der Wien-Wahl eng. Zugleich wächst sein Problemberg.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.