Es geht nicht, dass Zahlungen an Arbeitnehmer, deren Familien noch im Heimatstaat sind, gestrichen werden, sagt Europarechts-Experte Obwexer. Wirtschaftskammerpräsident Leitl fordert einen "Marshallplan für Afrika".
Österreich hat im Jahr 2013 über 200 Millionen Euro an Familienbeihilfe ins Ausland überwiesen. Die FPÖ möchte das per Parlamentsbeschluss ändern. Das geht aber nicht, sagt der Europarechts-Experte Walter Obwexer am Montag im Ö1-„Morgenjournal“. Denn, „es gibt eine Verordnung der EU, dass Arbeitnehmer aus anderen EU-Mitgliedsstaaten, die die Familienbeihilfe erhalten, sie auch in ihren Herkunftsstaat exportieren können, wenn die Kinder dort leben“, sagt Obwexer. Diese Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU stehe in den EU-Verträgen und solle demnach gefördert werden.
Allerdings: „Die EU-Verfassung erlaubt nicht, Familienbeihilfen für Arbeitnehmer, deren Familien noch im Heimatstaat leben völlig zu streichen, aber Familienbeihilfen zu staffeln ist damit kompatibel, wenn im Herkunftsstaat die Löhne niedriger sind und auch die Lebenskosten niedriger sind“, räumt Obwexer ein. Das wäre aus österreichischer Sicht beispielsweise bei Zahlungen an Arbeitnehmer aus Ungarn, der Slowakei oder Rumänien möglich. In diese Richtung gehen die Forderungen von Großbritannien, die nun von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) unterstützt werden. Obwexer sieht jedoch wenig Chancen auf die nötige Mehrheit in EU-Rat und Parlament, „da ärmere Eu-Staaten mit einem derartigen Rechtsakt wenig Freude haben würden“.
Leitl: "Wir brauchen einen Marshallplan"
Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl sagt im ORF-Radio zu dem Vorschlag, Slowaken oder Rumänen, die in Österreich arbeiten, weniger Familienbeihilfe auszuzahlen, wenn die Kinder nicht hier leben: „Er fügt sich in eine Reihe von Vorschlägen ein die wir derzeit überlegen müssen, um dieser Migrations- und Asylproblematik Herr zu werden.“ Denn: „Europa ist im Prinzip ratlos.“
Nötig sei eine gesamteuropäische, solidarische Lösung: „Wir brauchen eine Art Marshallplan für Afrika“, so Leitl. Konkret bedeute das: „Europa muss in Afrika investieren.“ Dann nämlich würde den Menschen dort eine Perspektive geben und „sie bleiben auch dort“.
Kurz: "Diskussion muss möglich sein"
Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich am Mobtag von der Kritik an seinem Vorstoß "sehr unbeeindruckt", denn "so eine Diskussion muss möglich sein". Einen Zusammenhang zwischen seinem Vorstoß und den jüngsten Wahlverlusten wies Kurz zurück. Die FPÖ hetze gegen "Sozialmissbrauch", das sei aber eine "Themenverfehlung", betonte Kurz.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wollte am Montag im Ö1-"Mittagsjournal" indes nichts übers Knie brechen. In dieser Frage gebe es derzeit keinen gemeinsamen Standpunkt der Regierung, sagte er. Würde man Änderungen vornehmen wollen, müsste das auf europäischer Ebene beschlossen werden.
>> Bericht im Ö1-„Morgenjournal“
(Red./APA)