Erste Mensch-zu-Mensch-Infektion in Europa, erster Fall in Asien. Der Fall zeige, dass weiter mit Ansteckungen gerechnet werden müsse. Das Virus habe das Potenzial, sich auszubreiten und genetisch zu verändern.
Berlin/Wien (ag).Zum ersten Mal seit dem Auftreten der „Schweinegrippe“ ist das Virus innerhalb Deutschlands von Mensch zu Mensch übertragen worden. In Bayern hat sich eine Krankenschwester bei einem Patienten angesteckt – der vierte bestätigte Fall in Deutschland.
Die Frau betreute einen 37-jährigen Patienten, bei dem die Infektion mit dem A/H1N1-Virus bestätigt worden war. Der Mann war ursprünglich mit Herz-Kreislauf-Problemen in eine Klinik im Landkreis Straubing eingeliefert und später in die Uniklinik Regensburg überwiesen worden. Die Krankenschwester ist mittlerweile wieder gesund, teilte das bayerische Gesundheitsministerium mit.
Bisher ist der Influenza-Virus nur bei Urlaubern festgestellt worden, die kürzlich aus Mexiko heimgekehrt waren. Eine Mensch-zu-Mensch-Infektion hat es in Europa bisher nicht gegeben. Das stelle eine „neue Situation“ dar, sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Jörg Hacker. Der Fall zeige, dass weiter mit Ansteckungen gerechnet werden müsse. Das Virus habe das Potenzial, sich auszubreiten und genetisch zu verändern.
Pandemiewarnstufe fünf
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Pandemiewarnung am Donnerstag auf die zweithöchste Stufe der sechsteiligen Skala angehoben. Warnstufe fünf bedeutet, dass eine Pandemie – also eine sich über Länder und Kontinente hinweg ausbreitende Infektionskrankheit – „unmittelbar bevorsteht“.
Mittlerweile wurde der erste Fall aus Asien gemeldet: Bei dem Patienten in Hongkong handelt es sich um einen Mexikaner, der über Shanghai eingereist ist.
In Mexiko, dem Ursprungsland der Krankheit, ist das öffentliche Leben zum Stillstand gekommen: Präsident Calderón hat seine Landsleute aufgerufen, die kommenden Tage zuhause zu verbringen. Kundgebungen zum 1. Mai wurden abgesagt. Für gewöhnlich demonstrieren jedes Jahr am Tag der Arbeit allein auf dem Zocalo-Platz in Mexiko-Stadt tausende Menschen. Außerdem dürfen mexikanische Fußballklubs nicht mehr in den Nachbarländern spielen. Die Regierungsgegner beschuldigen nun die Regierung, nicht rechtzeitig Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Grippe ergriffen zu haben. Ein US-Forschungsinstitut soll schon vor Wochen auf eine Häufung von seltsamen Grippefällen im Bundesstaat Veracruz am Golf von Mexiko aufmerksam gemacht haben. Die Zahl der bestätigten Erkrankungsfälle liegt laut Regierungsangaben bei 312. Zwölf Menschen sind an der Schweinegrippe gestorben.
Keine gemeinsamen Maßnahmen
Inzwischen wurden in zwölf Ländern, darunter sechs europäische Staaten, Schweinegrippe-Fälle bestätigt. Die EU-Gesundheitsminister einigten sich bei einem Krisentreffen in Luxemburg zunächst auf keine gemeinsamen Maßnahmen.
NAMENSWIRRWARR
■„Schweinegrippe“ war gestern: Die WHO hat eine Namensänderung in „Influenza A (H1N1)“ empfohlen. An dem neuen Virus, das aus Erregern besteht, die bei Schweinen, Vögeln und Menschen gefunden wurden, erkranken nämlich nur Menschen. Gegen den Begriff „Schweinegrippe“ hatte sich die fleischverarbeitende Industrie sowie die Weltorganisation für Tiergesundheit ausgesprochen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2009)