Machtspiel um neuen Telekom-Chef

ARCHIVBILD: TELEKOM-CHEF HANNES AMETSREITER
ARCHIVBILD: TELEKOM-CHEF HANNES AMETSREITERAPA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Nach dem Abgang von Hannes Ametsreiter muss rasch ein Nachfolger gefunden werden. Finanzminister Schelling ist via ÖBIB am Zug – das letzte Wort hat dennoch América Móvil.

Martha Oberndorfer ist erst seit einer Woche Chefin der Staatsholding ÖBIB – und schon wird's turbulent: Am Montag ist Telekom-Chef Hannes Ametsreiter sehr plötzlich per Ende Juli zurückgetreten. Jetzt heißt es für die ÖBIB, die 28,4 Prozent an der Telekom Austria hält, einen Nachfolger für Ametsreiter zu suchen. Theoretisch jedenfalls. Praktisch fällt die Entscheidung freilich ganz woanders: Nach dem Umbau der Staatsholding von der ÖIAG zur ÖBIB hat der Finanzminister das Sagen in allen wichtigen Fragen – so auch bei Entscheidungen über Top-Positionen in den Beteiligungsfirmen.

Es gibt einfachere Übungen. Herausforderung Nummer eins besteht darin, einen Kapazunder mit internationaler Erfahrung binnen weniger Wochen aus dem Hut zu zaubern. Dazu kommt, dass dieser auch Österreicher sein oder zumindest ein Naheverhältnis zu Österreich vorweisen sollte. Das wird spannend: Denn auch Hans Jörg Schelling hat nicht wirklich freie Hand bei der Wahl des künftigen Telekom-Bosses. Ohne den Mehrheitseigentümer América Móvil, der knapp 60 Prozent bei der Telekom besitzt, geht gar nichts.

General gehört Österreichern

Laut dem Syndikatsvertrag zwischen der ÖBIB und den Mexikanern haben die Österreicher das Recht, den Generaldirektor der Telekom (also den Nachfolger von Ametsreiter) zu bestellen. Dafür dürfen die beiden anderen Vorstandsposten auf Vorschlag von América Móvil besetzt werden.

Die ÖBIB will sich dieses Recht auf Nominierung eines Vorstandsvorsitzenden auch nicht nehmen lassen, wie aus der Staatsholding zu hören ist. „Das ist unsere letzte Bastion in der Telekom“, sagte dazu ein Insider nicht ganz ohne Sarkasmus. Allerdings: Die Mexikaner stellen acht von zehn Kapitalvertretern im Telekom-Aufsichtsrat. Sie haben also bei der Bestellung des neuen Telekom-Chefs ein gutes Wörtchen mitzureden.

Und für sie wäre Patriotismus in der Frage der Vorstandsbesetzung wohl zu kurz gegriffen. Die Telekom hat im Vorjahr 185 Mio. Euro Verlust gemacht. Der scharfe Wettbewerb im Mobilfunk drückt hierzulande und in Osteuropa die Preise – und damit die Erträge. Die anhaltende Wirtschaftsflaute schlägt sich vor allem in Bulgarien und Kroatien negativ nieder. Und die Eingriffe der EU in Roamingtarife schmälern ebenfalls die Erlöse. Gleichzeitig braucht die Telekom, die von den Mexikanern über eine Kapitalerhöhung eine Mrd. Euro bekommen hat, Geld für den Ausbau der nächsten Mobilfunkgeneration LTE und Zukäufe. Denn mit der Milliarde wurde zuerst einmal die dünne Kapitaldecke aufgefettet.

Wer darf/muss also den Konzern künftig führen? In der Branche werden schon einige – durchaus bekannte – Namen genannt. Etwa Andreas Bierwirth, Chef von T-Mobile Austria. Sein Wechsel von der AUA in die Telekombranche ist überraschend gekommen, inzwischen hat er Skeptiker Lügen gestraft, indem er den Ableger der Deutschen Telekom aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst hat. Ebenfalls wieder im Spiel ist Thomas Winkler. Auch er weist Erfahrung in der Telekombranche auf, war er doch die rechte Hand des einst mächtigen Deutsche-Telekom-Chefs Ron Sommer. Winkler, der zuletzt bei Lenzing Finanzvorstand war und auch im ÖIAG-Aufsichtsrat saß, wurde schon für einige Spitzenjobs genannt: als Nachfolger des vorzeitig verabschiedeten Telekom-Finanzvorstands Hans Tschuden ebenso wie als OMV-Chef.

Bürgerliches Lager

Auch Michael Krammer kann man einschlägige Kenntnisse nicht absprechen. Er war Telering-, danach One/Orange-Geschäftsführer und hat mit beiden Firmen die Branche aufgemischt. Als Rapid-Präsident weiß er mit harten Gegnern umzugehen. Krammer gehört zudem dem bürgerlichen Lager an. Das trifft ebenso auf Achim Kaspar zu. Als ehemaliger eTel-Chef kennt Kaspar (nunmehr Cisco-Austria-Geschäftsführer) die Telekom freilich auch von einer weniger rühmlichen Seite, nämlich den Korruptionsaffären. Als die Telekom 2006/07 die eTel kaufte, erhielt Kaspar einen Bonus von 300.000 Euro.

Ob es einer von ihnen wird, steht natürlich noch in den Sternen. Ganz ausgeschlossen ist nämlich nicht, dass der jetzige Vize Alejandro Plater aufrückt. Bevor der Aufsichtsrat entscheidet, muss sich Schelling wohl hinter den Kulissen mit den Mexikanern beraten – und einigen. Der Minister lässt sich aber nicht in die Karten schauen.

Auch Ametsreiter hält sich bedeckt, was seine Zukunft betrifft. Er habe ein „attraktives“ Angebot, hieß es. Wie die „Presse“ erfuhr, dürfte Ametsreiter zu Vodafone wechseln. Zum britischen Telekomriesen und Telekom-Partner hatte Ametsreiter gute Kontakte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ARCHIVBILD: TELEKOM AUSTRIA: PLATER
Österreich

Alejandro Plater neuer Vorstandschef bei Telekom Austria

Der gebürtige Argentinier wird auf Vorschlag von America Movil und ÖBIB bestellt. Sein Vertrag läuft bis März 2018.
PK TELEKOM AUSTRIA: PLATER
Österreich

Telekom-Belegschaft droht mit Streik

Nach der Kapitalerhöhung wird Österreich Einfluss in der Telekom Austria verlieren. Die Gewerkschaft schlägt Alarm: Sie fürchtet um ihren lukrativen Kollektivvertrag.
Österreich

Telekom-Kapitalerhöhung: Sprengstoff für die Koalition

Österreich kostet der Erhalt der Rechte gut eine halbe Milliarde Euro. Zieht der Staat nicht mit, verliert er seine Mitsprache.
PK TELEKOM AUSTRIA: AMETSREITER/MAYRHOFER
Österreich

Telekom-Chefwechsel ist ein Fall für die Finanzmarktaufsicht

"Presse"-exklusiv. Hannes Ametsreiters Abschied wurde am 15. Juni offiziell mitgeteilt. Die FMA untersucht nun, ob das rechtzeitig war.
A man makes a phone call behind a sign of Telekom Austria in Vienna
Österreich

Telekom Austria braucht mehr Kapital

"Die Presse"-exklusiv. Hauptaktionär América Móvil macht Druck: Der Konzern brauche dringend 1,5 Mrd. Euro. Geld, das der Finanzminister nicht hat. Übernehmen die Mexikaner den Konzern ganz?

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.