Die ÖVP will die Beihilfe an die Lebenshaltungskosten im Herkunftsland anpassen. Dafür wäre allerdings eine Änderung des EU-Rechts notwendig. Die SPÖ ist skeptisch.
Wien. Der Vorstoß von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), die Familienbeihilfe für Kinder, die im Ausland leben, zu kürzen, stößt beim Koalitionspartner auf wenig Gegenliebe. Es gebe „keinen gemeinsamen Standpunkt der Regierung“, erklärte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). Und ließ durchblicken, dass er wenig davon hält: Es sei „nicht fair“, Bürgern wegen unterschiedlicher Herkunft unterschiedliche Beträge zu überweisen.
Die Diskussion ist nicht neu: Bereits 2010 hatte der damalige Finanzstaatssekretär, Reinhold Lopatka (ÖVP), gefordert, die Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Heimatland anzupassen – und war damit bei seiner Parteifreundin Christine Marek, damals Familienstaatssekretärin, abgeblitzt. Kurz verweist nun auf die dynamische Entwicklung: Die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder sei seit damals von 150 auf 206 Millionen Euro gestiegen (insgesamt kostet die Familienbeihilfe 3,1 Mrd. Euro). Der größte Anteil fließt nach Ungarn, in die Slowakei und nach Polen, den stärksten Anstieg gibt es bei Rumänen und Bulgaren (siehe Grafik). Kurz sieht „starke Verzerrungen“ bei den Sozialleistungen: Ein Rumäne, der in Österreich arbeitet und zwei Kinder in seinem Heimatland hat, bekommt 300Euro im Monat überwiesen – das entspricht dort einem Durchschnittsgehalt.
Grundlage für die Zahlungen an Kinder im Ausland sind die EU-Bestimmungen: Prinzipiell ist der Anspruch auf Familienbeihilfe zwar daran geknüpft, dass Eltern und Kinder den ständigen Aufenthalt in Österreich haben, das gilt aber nicht für Bürger von EU-Staaten und des Europäischen Wirtschaftsraums (Norwegen, Island, Schweiz). Diese haben nach dem Beschäftigungslandprinzip auch dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn die Kinder in ihrem Heimatland leben. Bürger aus anderen Ländern, etwa aus der Türkei und Serbien, gehen dagegen leer aus. Eine Änderung der derzeitigen Regelung soll nun auf EU-Ebene vorangetrieben werden. Eine innerstaatliche Regelung, wie sie Lopatka einst vorgeschlagen hat, steht nicht mehr zur Diskussion. Das sei rechtlich nicht machbar, heißt es aus dem Familienministerium.
Vorreiter Cameron
Vorreiter für eine europäische Regelung ist der britische Premierminister, David Cameron, der den Vorschlag für eine Umgestaltung der Sozialsysteme eingebracht hat. Die EU-Kommission hat bereits eine Arbeitsgruppe zu dem Thema eingerichtet, die ab Herbst tagen wird und an der auch Beamte des Familienministeriums teilnehmen werden. Dort soll zudem besprochen werden, wie lang ein EU-Bürger in einem anderen Mitgliedstaat erwerbstätig sein muss, um die dortigen Familienleistungen beziehen zu können. In Österreich hat man Anspruch, wenn man zumindest die Hälfte des Jahres hier arbeitet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2015)