„Europa der Nationen“: Neue Rechtsfraktion steht

Member of the anti-European Union group called Europe of Nations and Freedoms in the European Parliament hold a joint news conference at the European Parliament in Brussels
Member of the anti-European Union group called Europe of Nations and Freedoms in the European Parliament hold a joint news conference at the European Parliament in Brussels(c) REUTERS (YVES HERMAN)
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Front National, FPÖ und Lega Nord machen bei der Vereinigung der Rechtspopulisten mit, an deren Spitze Marine Le Pen steht. Die neue Gruppe wird als Fraktion der „Extremisten und Menschenverächter“ kritisiert.

Brüssel. „Europa der Nationen und der Freiheit“ – hinter diesem Namen verbirgt sich die neueste, mittlerweile achte Fraktion im Europaparlament. Und der (etwas pathetisch klingende) Name deutet bereits auf ihre politische Ausrichtung hin: Zum harten Kern der Gruppe zählen nämlich der französische Front National, Italiens Lega Nord sowie die FPÖ – also Parteien, die in der EU-Mitgliedschaft ihrer Länder keine Garantie, sondern eine Gefahr für die Freiheit sehen.

An der Spitze der am gestrigen Dienstag aus der Taufe gehobenen Gruppierung steht Marine Le Pen, die Chefin des rechtspopulistischen Front National. Mit 18 Mandataren stellt der FN auch genau die Hälfte der insgesamt 36 Fraktionsmitglieder. Die zweitgrößte Gruppe mit fünf Europaabgeordneten ist die (ebenfalls rechtspopulistische) Lega Nord, die FPÖ stellt vier Mandatare, drei Mandatare kommen von der niederländischen Freiheitspartei PVV von Geert Wilders, zwei vom polnischen Kongress der neuen Rechten (KNP).

„Ting Tong von irgendwo“

Um die Bedingungen für die Gründung einer Fraktion (mindestens 25 Europaabgeordnete aus sieben oder mehr EU-Mitgliedstaaten) zu erfüllen, gehören der Gruppe auch zwei Einzelkämpfer an: Gerolf Annemans von der belgischen Partei Vlaams Belang sowie die Britin Janice Atkinson, vormals Mitglied der EU-feindlichen United Kingdom Independence Party (UKIP). Die Wege von Atkinson und UKIP-Chef Nigel Farage trennten sich im März, als britische Medien darüber berichteten, die Politikerin habe ihre Spesenabrechnungen manipuliert – Atkinson wurde daraufhin aus der Partei geworfen. Zudem fiel die 52-Jährige durch ausländerfeindliche Äußerungen auf: So hatte sie eine aus Thailand stammende Unterstützerin als „Ting Tong von irgendwo“ bezeichnet.

Dass der vordergründige Zweck der Gründung der Zugang zu Privilegien eines Fraktionsstatuts (etwa mehr Budget und garantierte Sitze in parlamentarischen Ausschüssen) sei, wurde gestern von Le Pen empört zurückgewiesen: Keine andere Fraktion müsse darüber Rechenschaft ablegen, sagte die Französin.

„Fraktion des Erfolges“

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, der die Delegation der Freiheitlichen im Europaparlament anführt, bezeichnet die Gruppe gegenüber der „Presse“ als „Fraktion des Erfolges“: FPÖ, FN und Lega Nord seien politisch im Aufwind, weshalb Vilimsky davon ausgeht, dass demnächst weitere Europaabgeordnete zu der neuen Gruppe überlaufen werden – er selbst wisse bereits von mehreren konkreten Anfragen. Der FPÖ-Politiker hat nach eigenem Bekunden alle Fraktionsmitglieder persönlich kennengelernt und sieht keine Probleme bei der Zusammenarbeit – auch nicht mit Atkinson.

Während andere österreichische EU-Abgeordnete die neue Gruppe als „Extremisten und Menschenverächter“ (Othmar Karas, ÖVP) und als „Geldbeschaffungsaktion“ (Ulrike Lunacek, Grüne) kritisieren, hat Isabell Hoffmann von der Bertelsmann-Stiftung Zweifel am langfristigen Fortbestand der Fraktion. So habe es in der Vergangenheit wiederholt Spannungen zwischen PVV und FN wegen antisemitischer Äußerungen der französischen Populisten gegeben. Eine zweite potenzielle Front verläuft zwischen West und Ost – es geht um polnische Arbeiter im EU-Ausland. Für Vilimsky gehört der Zwist hingegen der Vergangenheit an: Er selbst sei früher auf Distanz zu Geert Wilders gewesen, nun sei man „freundschaftlich verbunden“. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2015)

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