Alle gerettet? –Alle beschädigt!

Bildungsministerin Schmied musst mit ihren Vorschlägen scheitern.

Unsere märchenhafte Bildungspolitik ist um eine Travestie reicher. Budget beschlossen, Lehrerstreik abgewendet, Schüler-Demo vorüber: Alle gerettet? Nein: Alle beschädigt, entlarvt, selbstverstümmelt. Alle Beteiligten haben sich mit neuen prachtvollen Gewändern geschmückt, wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Nach der Posse um den Lehrerverzicht auf die fünf schulautonomen Tage stehen sie nun alle nackt da.

Zuerst einmal die Bildungsministerin. Als tapferes Schneiderlein wollte sie sieben auf einen Streich erlegen – mit ihrem Vorschlag, die Lehrer sollten zwei Wochenstunden mehr unterrichten. Dies sei keine Budgetmaßnahme, sondern Bildungsreform. Nach dem „Kompromiss“ steht sie nackt da. Keine Einsparung, keine verlängerte Lehrverpflichtung, keine Bildungsreform, neue Probleme: ein neues Dienstrecht in zwei Jahren, vor den Kopf gestoßene Lehrer, ratlose Ratgeber und Reformer. Schlimmer noch: Sie erwies sich als nicht lernfähig. Ihren ersten Vorschlag sprach sie nicht mit den Partnern ab und musste scheitern. Genauso ihre Lösung für die schulfreien Tage – wieder nicht mit den Partnern beraten. Wieder ein Trümmerhaufen.

Nicht besser die Lehrer und ihre Gewerkschaft. Ihr Image als Urlaubskaiser, Minderleister und Reformverhinderer (P. Manker: „Die Lehrer san olles Gfrasta“) ist ein bösartiges Vorurteil. Was würde aus unserer Gesellschaft ohne die vielen fleißigen, initiativen, einsatzbereiten und kritischen Lehrer? Gibt es denn keine sympathischeren Funktionäre fürs Fernsehen? Mediengeschult? Wortkräftig? Die Opferbereitschaft der Lehrer, auf Zulagen zu verzichten, verpuffte wie ihr Angebot, fünf Tage zusätzlich zu arbeiten. Das Vorurteil hat sich verfestigt.

Die Elternvertreter und die Schüler haben sich selbst vorgeführt und entlarvt: All ihr Demonstrieren und Lamentieren für bessere Schulen und Ausbildung war nicht ernst gemeint. Die Ablehnung von fünf Tagen mehr Unterricht machte ihre wahren Ziele deutlich: nicht Bildung und Schulreform, sondern Urlaub und freie Tage!

Ein weiteres Opfer des tapferen Schneiderleins Schmied: die Schulpartnerschaft, eine Sonderform der vielgerühmten Sozialpartnerschaft. Sie entpuppte sich als Papiertiger. Weder bei den zwei Stunden noch den fünf Tagen wurden Eltern- und Schülervertreter eingebunden. Als die Schüler dagegen einen Maiausflug machten, knickte das Schneiderlein ein und versprach Absurdes: Sie bräuchten an zwei Tagen nur in die Schule, wenn sie wollten, die Lehrer aber müssten auf alle Fälle bereit sein.

Das Krisenmanagement der Koalition schusterte dann einen Kompromiss zustande, den keiner wirklich wollte, der keines der Probleme löst, den Konflikt nur in die nahe Zukunft verschiebt. Damit ging so manche Hoffnung auf neues, sachgerechtes Regieren in die Brüche. Und die Reform? Sie bleibt auf der Strecke.

Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2009)

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