Prozess: Ex-Alijew-Mitarbeiter widerspricht sich

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Symbolbild: GerichtssaalDie Presse
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Der Zeuge hatte sich in Kasachstan selbst belastet. Alijew habe ihm und anderen Beteiligten einst gedroht: "Wenn jemand etwas erfährt, wird es allen schlecht ergehen."

Ein in Kasachstan wegen der Beteiligung an den im Alijew-Prozess behandelten Verbrechen verurteilter Zeuge hat am Montag in Wien vor Gericht ausgesagt. Dort widersprach er einer früheren Aussage, mit der er sich in Kasachstan selbst belastet hatte.

Oleg Bekbatyrov wiederholte vor dem Straflandesgericht frühere Angaben, nach denen die beiden entführten und später ermordeten kasachischen Bankmanager am Tag ihres Verschwindens im Jänner 2007 dem Anschein nach festgehalten und misshandelt wurden. Hinter den Misshandlungen dürften demnach der in Wiener U-Haft verstorbene kasachische Ex-Botschafter Rakhat Alijew und sein nun vor Gericht stehender mutmaßlicher Mittäter Vadim Koshlyak stehen. Stattgefunden haben sollen die Peinigungen in der Zentrale der Nurbank in der kasachischen Stadt Almaty.

Der frühere Alijew-Mitarbeiter Bekbatyrov sagte am Montag aus, gesehen zu haben, wie Koshlyak dem später ermordeten Bankmanager Aybar Khasenov Handschellen anlegte und ihm eine Haube über den Kopf zog. Er selbst habe Koshlyak die Handschellen gebracht.

"Ich habe nie irgendwelche Fragen gestellt"

Auf Nachhaken des Richters, ob er nie nachgefragt habe, was vor sich gehe, sagte Bekbatyrov: "Ich habe nie irgendwelche Fragen gestellt." Alijew habe ihm und anderen Beteiligten später gedroht: "Wenn jemand etwas erfährt, wird es allen schlecht ergehen."

Allerdings widersprach der Zeuge seinen eigenen Aussagen im kasachischen Verfahren gegen ihn. Dort hatte er angegeben, in der Nurbank die Sicherheitskameras verdreht zu haben. In Wien vor Gericht sagte er allerdings, er habe dies nicht getan. Auf die Frage, ob er in Kasachstan falsch ausgesagt habe, antwortete er: "Es waren eher nicht falsche Aussagen, ich war damals in Haft und stand psychisch unter Druck. Das hat dazu geführt, dass ich so ausgesagt habe", sagte er nach Angaben der Gerichts-Übersetzerin. Er habe die verdrehten Kameras nicht gesehen.

Mitangeklagter habe ihm leidgetan

Auf Nachfrage des Richters Andreas Böhm, warum er sich selbst belastet habe, sagte er, sein Mitangeklagter habe ihm leidgetan. Bekbatyrov wurde daraufhin zu elf Jahren Haftstrafe verurteilt. "Da hat er heroisch was auf sich genommen", kommentierte Richter Böhm die Aussage. Weiters beteuerte der Zeuge, er habe alle Angaben vor Gericht in Kasachstan freiwillig getätigt. "Es wurde keinerlei Druck auf mich ausgeübt", sagte Bekbatyrov. "Ich habe in Kasachstan genau die gleichen Aussagen getätigt wie hier vor dem Wiener Gericht." Auch verneinte er auf Anfrage des Gerichtes, in Österreich Asyl beantragen zu wollen.

Der Zeuge wurde von zwei kasachischen Polizisten in Zivil nach Wien begleitet. Sie saßen zu Beginn der Verhandlungen im Gerichtssaal - darauf angesprochen erklärte der Zeuge, er störe sich nicht an ihrer Anwesenheit. Richter Böhm betonte, die beiden kasachischen Beamten hätten in Österreich keine Handhabe und der Zeuge dürfe sich frei im Land bewegen. Er ließ die Personalien der beiden kasachischen Polizisten aufnehmen.

Alijew-Prozess

Vadim Koshlyak und sein Mitangeklagter Alnur Mussayev verantworten sich gemeinsam vor Gericht in Wien wegen des Vorwurfes, 2007 zwei kasachische Bankmanager entführt und später ermordet zu haben. Sie sollen unter Führung von Rakhat Alijew gehandelt haben, dem damaligen Botschafter Kasachstans in Österreich und in Ungnade gefallenen Ex-Schwiegersohn von Präsident Nursultan Nasarbajew. Der Prozess findet in Wien statt, weil die österreichischen Behörden eine Auslieferung abgelehnt hatten, da mit einem fairen Prozess in Kasachstan nicht zu rechnen sei.

Alijew erhängte sich im Februar kurz vor Beginn der Verhandlung, in der er Hauptangeklagter gewesen wäre, in der Justizanstalt Josefstadt in seiner Zelle. Seine Anwälte bezweifeln einen Selbstmord.

(APA)

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