Hietzing: Bürgerliche Hochburg im Grünen

Rund um das Schloss Schönbrunn entfaltete sich der Nobelbezirk Hietzing.
Rund um das Schloss Schönbrunn entfaltete sich der Nobelbezirk Hietzing.(c) Clemens Fabry
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Bezirksporträt. Der Nobelbezirk hat viel Grün, viel Wohnqualität, aber wenig Urbanität – und er schrumpft.

Dass Hietzing heute als Nobelbezirk firmiert, geht auf Maria Theresia zurück. Denn durch ihre Entscheidung, das Schloss Schönbrunn zu einem Zentrum des höfischen Lebens werden zu lassen, erlebte das einstige Weinbauerndorf Hietzing einen Aufschwung: Adelige und Beamte zogen samt Familien in die Nähe des kaiserlichen Schlosses – und legten den Grundstein für Hietzings Image.

Doch was heißt nobel? Vornehm, bürgerlich, reich, traditionell? Oder einfach nur konservativ? Was ist heute der Charakter des Bezirks? Sicher ist einmal, dass im dreizehnten Bezirk viele prominente und wohlhabende Menschen wohnen: Das Durchschnittseinkommen ist deutlich höher als der Durchschnitt, die Kaufkraft gehört zu den höchsten in Österreich.

Sicher ist auch, dass Grün eine dominierende Farbe ist (nicht unbedingt politisch): Hietzing hat den größten Anteil an Grünflächen aller Wiener Bezirke, nämlich fast 72 Prozent. Wobei dafür vor allem der hohe Anteil am Lainzer Tiergarten verantwortlich ist. Wer in den Dreizehnten zieht, sucht jedenfalls viel Grün, viel Freiraum und viel Platz zum Wohnen – und hat auch das Geld dafür.

Politisch ist Hietzing zwar auch etwas grün (knapp 16 Prozent bei der letzten Bezirksvertretungswahl 2010), aber dominiert wird es von der ÖVP (zuletzt 36,5 Prozent). Doch der Abstand zur SPÖ (29,2 Prozent) ist gar nicht so groß. Und obwohl die VP in den letzten Jahrzehnten meist den Bezirksvorsteher stellte, so gab es in den Sechziger-/Siebzigerjahren auch SPÖ-Bezirkschefs.

VP-Frau an der Bezirksspitze

Das heißt, die klassischen politischen Muster sind in Hietzing etwas aufgeweicht: Die ÖVP hat vor zwei Jahren – ganz untraditionell – mit Silke Kobald eine Frau als Bezirksvorsteher ins Amt gehievt. Die FPÖ ist in Hietzing kleiner und auch gemäßigter als in den meisten Arbeiterbezirken (2010: 15,2 Prozent). Und auch die SPÖ ist in Hietzing bürgerlicher als sonstwo. Die hohen Wohnpreise bringen es aber auch mit sich, dass eine gesellschaftliche Durchmischung nur wenig stattgefunden hat: Der Ausländeranteil beträgt gerade 14,2 Prozent. In dem Zusammenhang sei erwähnt, dass es im Hörndlwald jahrelang ein großes Heim für Asylwerber gegeben und dieses im Bezirk praktisch keine Ablehnung hervorgerufen hat (das Franziska-Fast-Heim wurde 2011 stillgelegt).

Hietzing ist zwar durch die U4 öffentlich gut erreichbar und auch durch Busse und Straßenbahnen halbwegs erschlossen – das Auto hat aber noch hohen Stellenwert. Da war es logisch, dass 2013 bei einer Abstimmung 80 Prozent der Hietzinger gegen die Einführung eines Parkpickerls stimmten. Was umgekehrt bedeutet, dass der Bezirk – vor allem entlang der Westeinfahrt – von Parkplatz suchenden Autofahrern überflutet wird.

Das größte Problem Hietzings ist die Demografie: Die Bevölkerung schrumpft bis 2030 um zwei Prozent, was auch Überalterung mit sich bringt. Hauptgrund dafür ist, dass Wohnraum teuer und damit für Jüngere schwer leistbar ist. Es hat aber auch damit zu tun, dass Hietzing alles andere als ein pulsierender Bezirk ist. Wer urbanes Leben sucht, ist hier falsch.

Café Dommayer und Plachutta sind zwar seit ewig für die Älteren attraktiv, aber für die Jungen? Es gibt das Mario, ein paar alternative Angebote um die Altgasse und neuerdings auch einen Wein & Co. Doch mit Urbanität hat das nur wenig zu tun.

Serie: Wiens Bezirke

Bis zur Wien-Wahl am 11. Oktober porträtiert die ''Presse'' nach und nach alle 23 Wiener Bezirke. Die bisherigen Porträts finden sie unter diepresse.com/bezirke

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25. Juni 2015)

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