US-Firmen dominieren das Lobbying-Business in Brüssel

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In der Top Ten der Unternehmen mit dem größten Budget für EU-Lobbying befinden sich fünf Firmen aus den USA.

Brüssel. K Street – dieser Straßenname gilt in den politischen Kreisen der US-Hauptstadt als Chiffre für den Einfluss der Lobbyisten auf die Legislative der Vereinigten Staaten. Wer in Washington in der besagten Straße seinen Arbeitsplatz hat, verdient seinen Lebensunterhalt mit hoher Wahrscheinlichkeit als Interessensvertreter oder Berater. Eine ähnlich berühmt-berüchtigte Adresse hat Brüssel zwar nicht vorzuweisen, doch was die Praxis des Lobbyismus anbelangt, nähert sich der Hauptsitz der europäischen Institutionen schön langsam den US-amerikanischen Standards an. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die Nichtregierungsorganisation Transparency International in ihrem jüngsten Bericht.

Experten der NGO haben offizielle Datenbanken der EU, Terminkalender der EU-Kommissare sowie das freiwillige Melderegister für Brüsseler Lobbyisten durchforstet und ihre Befunde am gestrigen Mittwoch vorgestellt – ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt angesichts der Tatsache, dass sich die mediale Aufmerksamkeit an diesem Tag auf die jüngste Verhandlungsrunde über Griechenland gerichtet hat. Nichtsdestoweniger bietet die Studie teilweise überraschende Einblicke ins Metier der Beeinflusser.

Shell, Exxon, Microsoft

So dürfte die Professionalisierung der Brüsseler Lobbying-Branche nicht zuletzt mit den verstärkten Aktivitäten der US-Konzerne zu tun haben. Im Ranking der Firmen mit dem größten Lobbying-Budget in Brüssel finden sich vier europäische, fünf US-amerikanische und ein chinesisches Unternehmen unter den Top Ten wieder: Der Ölkonzern Shell belegt ex aequo mit dem US-Konkurrenten Exxon Mobil und Microsoft mit einem jährlichen Lobby-Budget von 4,5 Mio. Euro Platz eins. Es folgen Deutsche Bank (3,96 Mio. Euro) auf Platz vier, Siemens auf Platz acht (3,2Mio. Euro) sowie BP mit 2,5Mio. Euro auf Platz zehn – einen Rang hinter dem chinesischen Konzern Huawei, der sein Jahresbudget für Lobbying-Aktivitäten mit drei Mio. Euro angibt. Nach Ansicht von Transparency International lässt sich der Umfang des Budgets in politisches Kleingeld ummünzen: „Die Daten aus den vergangenen sechs Monaten legen den Schluss nahe, dass die Ausgaben für Lobbying stark mit der Anzahl der Treffen mit EU-Vertretern korrelieren“, sagte der für den Bericht zuständige Experte, Daniel Freund. Demnach geben alle Unternehmen, die im vergangenen Halbjahr mehr als zehn Gespräche mit hochrangigen Beamten der EU-Kommission geführt haben, mehr als 900.000 Euro für Lobbying aus – die einzige Ausnahme ist der Luftfahrtkonzern Airbus, der sein Budget mit 400.000Euro beziffert.

Die Aufmerksamkeit der Brüsseler Lobbyisten ist ungleich verteilt: Die meisten Treffen mit Interessensvertretern (487 seit Jahresbeginn) haben der für Energie und Klimapolitik zuständige EU-Kommissar, Miguel Arias Cañete, und seine Mitarbeiter vermeldet, gefolgt vom Ressort des Beschäftigungskommissars, Jyrki Katainen (398 Treffen), dem für die digitale Agenda zuständigen Kommissar, Günther Oettinger (366), sowie dem Finanzmarktkommissar, Jonathan Hill (295 gemeldete Meetings). Die wenigsten Treffen – lediglich 15 – vermeldete das Büro der für Regionalpolitik zuständigen EU-Kommissarin, Corina Creţu.

Der Bericht räumt auch mit der Mär vom gleichen Zugang für alle Interessensvertreter auf: 75 Prozent der Treffen, die Kommissionsvertreter seit Dezember 2014 absolviert haben, waren mit Unternehmenslobbyisten und nur 18 Prozent mit Repräsentanten von NGOs.

AUF EINEN BLICK

Transparency International hat die Terminkalender der EU-Kommission und das freiwillige Brüsseler Lobbying-Register ausgewertet. Demnach absolvieren Kommissionsvertreter drei von vier der gemeldeten Treffen mit Unternehmenslobbyisten. Weitere Ergebnisse der gestern präsentierten Studie unter www.integritywatch.eu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2015)

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