EU-Gipfel verschiebt Flüchtlingsfrage auf Ende Juli

Die Griechenland-Krise steht im Fokus des EU-Gipfels. Wesentliche Entscheidungen in der Asyl-Frage sind nicht zu erwarten.
Die Griechenland-Krise steht im Fokus des EU-Gipfels. Wesentliche Entscheidungen in der Asyl-Frage sind nicht zu erwarten.(c) REUTERS
  • Drucken

Es gibt weiter keine Mehrheit für verpflichtende Quoten, aber ein Bemühen um schnellere Abschiebungen. Frontex soll vermehrt zum Einsatz kommen.

Überschattet wird der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel einmal mehr vom Griechenland, eigentliches Hauptthema ist aber die Flüchtlingsverteilung. Bereits zu Beginn am Donnerstag war klar, dass es für eine verpflichtende EU-Quote keine Mehrheit gibt. Zentrale Fragen wurden auf Juli verschoben, Einigkeit gibt es bei der schnellen Abschiebung von "Wirtschaftsflüchtlingen".

"Es gibt keine Mehrheit für verpflichtende Flüchtlingsquoten", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk bei seiner Ankunft im Ratsgebäude. Ein seit mehreren Tagen zirkulierender Entwurf der Gipfel-Schlusserklärungen hatte dies bereits vorweggenommen. Darin ist zwar die Rede von der "Verteilung von 40.000 Personen aus Italien und Griechenland, die klar vorübergehenden Schutzes bedürfen, auf andere Mitgliedsstaaten binnen zwei Jahren". Wohl absichtlich offen bleibt jedoch die Verbindlichkeit dieser Verteilung sowie der konkrete Verteilungsschlüssel.

"Illegale Migration eindämmen"

Auf letzteren wollen sich die EU-Staaten laut Gipfelentwurf bis Ende Juli einigen. Nur wenn es bis dahin wirklich "exakte und bedeutsame Zusagen" gebe, sei eine freiwillige Verteilung auch "glaubwürdig", versuchte Tusk den Druck zu erhöhen. Zugleich bereitete er den Weg für das, wo der Gipfel wirklich konkrete Ergebnisse bringen wird: "Vordergründig müssen wir illegale Migration eindämmen und das sollte unsere Priorität sein", betonte er. "Alle, die keine legitimen Asylwerber sind, haben keine Garantie, dass sie in Europa bleiben können."

Konkret will sich der Gipfel auf die Errichtung von sogenannten "Hotspots" an den EU-Außengrenzen einigen, wo Asylwerber in Zusammenarbeit mit Europol, der EU-Grenzschutzagentur Frontex sowie des EU-Asylbüros EASO systematisch registriert und ihnen Fingerabdrücke abgenommen werden sollen. Auch die genaue Ausgestaltung dieser Hotspots soll nach Angaben aus EU-Ratskreisen jedoch erst Ende Juli feststehen. Danach müsste im Herbst noch das Europäische Parlament zustimmen, was eine konkrete Umsetzung in die Ferne rücken lässt.

Deadline "Ende Juli"

Zudem soll Frontex bei der Abschiebung sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge künftig eine wichtigere Rolle spielen und selbst "Rückführungen" durchführen können. EASO wiederum soll eine Liste "sicherer Herkunftsländer" etablieren, in die Asylwerber künftig ohne große Prüfung ihrer Anträge rasch abgeschoben werden können. Auch hier sei "Juli" die Deadline, sagte eine hochrangige EU-Beamtin am Donnerstag.

Mit der Frage nach einer solidarischen Verteilung von Flüchtlingen in Europa und Ungarns Ankündigung vom Dienstag, die Dublin III-Verordnung aus "technischen Gründen" zu suspendieren, drängte sich auch das Thema Dublin-Reform auf die Tagesordnung. Das Dublin-System sieht vor, dass jenes Land für die Durchführung von Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Schutzsuchender erstmals EU-Boden betreten hat. Da dies Länder an der EU-Außengrenze besonders stark in die Pflicht nimmt, wird "Dublin" immer wieder heftig kritisiert. Die Frage einer Reform sei der EU-Kommission bereits "informell" gestellt worden, hieß es am Donnerstag in EU-Kreisen. Dies werde jedoch Zeit brauchen und sei aktuell "nicht das vordergründige Thema".

Appell an Solidarität

Auch wenn eine verpflichtende EU-Quote nun also endgültig vom Tisch scheint, mehrten sich im Vorfeld des EU-Gipfels am Donnerstag dennoch die Solidaritätsaufrufe. "Es ist nicht lächerlich, es ist traurig, dass der reichste Teil der Welt diese Debatte führt", sagte etwa EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und meinte damit das Gezerre um die Verteilung von 40.000 Flüchtlingen. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel forderte "nachhaltige und langfristige Lösungen", denn ansonsten bestehe die Gefahr, "dass erhebliche Spannungen zwischen den Ländern auftreten können".

Österreichs Gipfelvertreter, Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), rief ebenfalls zu einer gemeinsamen EU-Politik auf. "Ich bin für eine Quote. Ich bin für eine Verpflichtung. Ich bin für eine gemeinsame Asylpolitik", sagte er. Eine faire Verteilung sei freilich nie leicht zu erreichen, gab Faymann zu bedenken. "Ich kämpfe darum." Es habe keinen Sinn, in Europa völlig unterschiedliche Asyl-Standards zu haben. "Mit diesem Aufeinanderschieben von Problemen kommt man nicht sehr weit."

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

In Ungarn aufgegriffene Migranten.
Europa

Ungarn rudert zurück: "Halten alle EU-Rechtsnormen ein"

Außenminister Szijjarto sieht die Dublin-Regelung nicht verletzt. Es würden jedoch zu unrecht illegale Einwanderer nach Ungarn zurückgeschickt.
Der ungarische Premierminister Viktor Orbán hat kein Ohr für die Anliegen seiner Nachbarländer.
Außenpolitik

Darabos: "Inakzeptabler Bruch von EU-Recht"

Die SPÖ kritisiert Ungarns Asylpolitik. Die FPÖ will wieder Grenzkontrollen. Das Team Stronach hat Verständnis für die "patriotisch Haltung" Orbáns.
ROMANIA CHINA DIPLOMACY
Außenpolitik

"Boot ist voll": Ungarn nimmt keine Flüchtlinge zurück

"Die Presse"-exklusiv: Premier Orbán setzt die europäische Dublin-III-Verordnung einseitig außer Kraft. Österreich kann Asylwerber nun nicht mehr nach Ungarn abschieben.
Archivbild: Flüchtlinge aus den Kosovo an der ungarisch-serbischen Grenze
Außenpolitik

Ungarn errichtet Grenzzaun zu Serbien

Die Regierung in Budapest will mit einem vier Meter hohen Zaun die illegale Einwanderung aus Serbien stoppen.
Europa

EU: Keine Einigung auf verpflichtende Flüchtlingsquote

Auf dem Gipfel wurde nach mehrstündigen Verhandlungen lediglich eine freiwillige Verteilung von 60.000 Flüchtlingen vereinbart.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.