EU: Keine Einigung auf verpflichtende Flüchtlingsquote

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Auf dem Gipfel wurde nach mehrstündigen Verhandlungen lediglich eine freiwillige Verteilung von 60.000 Flüchtlingen vereinbart.

Bis in die frühen Morgenstunden des Freitag haben die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel über die Verteilung von Flüchtlingen gestritten. Eine von Österreich gewünschte verpflichtende Quote zur Verteilung sei "im ersten Schritt nicht erreichbar gewesen", sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nach Ende der Beratungen.

Der Gipfel habe aber vereinbart, dass 60.000 Schutzbedürftige in der EU verteilt werden - 40.000, die bereits in Europa sind, und 20.000, die wahrscheinlich aus Syrien kommen. "Es war eine sehr umfassende und ausführliche Diskussion mit vielen Unterschieden und Kontroversen", sagte Faymann.

Die EU-Kommission hatte eine verpflichtende Verteilung von 40.000 Asylbewerbern aus Syrien und Eritrea per Quote von Italien und Griechenland auf die anderen EU-Staaten vorgeschlagen. Zusätzlich sollten 20.000 anerkannte Schutzbedürftige aus Drittstaaten freiwillig auf die EU-Staaten verteilt werden.

"Verbindlichkeit muss steigen"

Die Visegrad-Länder (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei), die - mit Ausnahme Ungarns - wenige Asylbewerber haben, hätten sich ganz massiv gegen eine Verpflichtung eingesetzt, sagte der Kanzler. Länder mit Ausnahmen wie Großbritannien, Irland und Dänemark wollten darauf nicht verzichten. Insgesamt hätten sich somit sieben Staaten einer strengeren Formulierung in der Gipfelerklärung widersetzt.

Die EU geht damit bei der Flüchtlingspolitik nach Ansicht von Faymann "in die richtige Richtung, aber am Ziel sind wir nicht". Faymann: "Es hat schon eine sehr ernste Diskussion darüber gegeben, dass die Verbindlichkeit steigen muss."

Die EU-Kommission werde EU-Länder am Mittelmeer unterstützen, dass dort bei Hotspots Fingerabdrücke von Migranten genommen werden und das Dublin-Abkommen eingehalten werde. Der ungarische Premier Viktor Orban habe ihm gegenüber klargestellt, dass Ungarn nicht vorhabe, etwas außer Kraft zu setzen.

Empört über eine fehlende verbindliche Quote für die Verteilung von Flüchtlingen in Europa zeigte sich Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi. Nach Angaben aus italienischen Regierungskreisen sagte Renzi: "Wenn das Eure Idee von Europa ist, könnt Ihr es behalten, ohne Solidarität verschwendet Ihr unsere Zeit."

Renzi beharrte demnach auf verpflichtende Quoten. Den Angaben zufolge sagte Renzi, wenn das Wort "verpflichtend" nicht im Text enthalten sein soll, könne man es streichen, "wir machen es alleine".

Verpflichtung abgelehnt

Während Renzi dem Vernehmen nach von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der Debatte unterstützt wurde, verteidigte EU-Ratspräsident Donald Tusk einen freiwilligen Ansatz, der im Konsens aller EU-Staaten zu finden sei. Eine Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen wird von fast allen osteuropäischen Staaten abgelehnt.

Nach Angaben von Diplomaten haben bisher alle EU-Staaten allgemein zugesagt, sich zu beteiligen. Die Details müssen aber noch in schwierigen Verhandlungen der EU-Innenminister geklärt werden. Die nachfolgende luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft will dies bei einem informellen Innenministerrat am 9. Juli in Luxemburg regeln.

Zur Auflockerung der Migrationsdebatte musste sogar der britische Premierminister David Cameron herhalten, der dem Gipfel zwischenzeitlich seine Pläne für ein britisches EU-Referendum bis 2017 vortrug. Cameron habe lediglich erklärt, dass er einen Diskussionsprozess bis Ende des Jahres wolle, sagte Faymann. "Zugeständnisse gab es darüber hinaus nicht."

Der britische Premier will unter anderem erreichen, dass das im EU-Vertrag verankerte Ziel einer "immer engeren Union" nicht mehr für Großbritannien gilt. Außerdem will er "Sozialleistungs-" und "Wohlfahrtstourismus" vor allem von EU-Bürgern aus Osteuropa in Großbritannien eindämmen. Nach Angaben der BBC hat Cameron seine Forderung nach einer EU-Vertragsänderung vor dem EU-Referendum fallen gelassen.

(APA)

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