Klimawandel: Das anstrengende Leben in der großen Hitze

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Die Temperaturen werden in Österreich bis 2048 noch einmal um 1,4 Grad steigen. Das hat Vorteile, wie etwa weniger Heizaufwand. Unter dem Strich bleibt aber: Mit zusätzlichem Schaden ist zu rechnen. Zwei Szenarien.

Der Mensch greift erstmals in der Erdgeschichte substanziell in die Klimaentwicklung unseres Planeten ein. Im globalen Durchschnitt messen wir aktuell bereits 0,9 Grad Erwärmung seit 1880, überwiegend von menschlichen Aktivitäten verursacht. Das stellt als globaler Durchschnitt einen Mittelwert über Ozeane und Kontinente dar. Die Erwärmung beträgt für Österreich – als Binnenland, zudem im Einfluss der pannonischen Tiefebene – bereits knapp zwei Grad Celsius. Die Hälfte davon ist seit 1980 eingetreten.

Wie wird sich der Klimawandel bis 2048 darstellen? Aufgrund der Trägheit des Klimasystems und der Langlebigkeit der bereits emittierten Treibhausgase in der Atmosphäre kennen wir den weiteren Temperaturanstieg für diesen Zeithorizont bereits recht gut: In Österreich wird die Temperatur bis dahin um weitere etwa 1,4 Grad Celsius gestiegen sein. 2048 werden wir auch wissen, ob wir global die Trendwende geschafft haben, hin zu einer langfristigen Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Erdatmosphäre. Denn in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entscheiden wir darüber, welches Ausmaß der Klimawandel danach annehmen wird, ob wir zum Ende des Jahrhunderts global mit hohen sechs Grad Erwärmung rechnen müssen (bzw. mit zehn Prozent Wahrscheinlichkeit sogar riskieren, noch mehr Erwärmung zu haben), was jeweils in Österreich zu einer entsprechend signifikant höheren Erwärmung führen würde, oder ob wir noch die Option haben, uns langfristig zumindest näher beim derzeitigen Klimafenster einzupendeln, in das die menschliche Zivilisation in vielen Dimensionen eingepasst ist.

Arbeitsproduktivität sinkt

Die Auswirkungen des bereits bekannten Klimawandels werden im Jahr 2048 alle Bereiche des menschlichen Lebens betreffen. Für Österreich wurden sie im interdisziplinären Projekt COIN ökonomisch bewertet, getragen durch den Klima- und Energiefonds und die österreichische Klimaforschungs-Community (Climate Change Centre Austria, CCCA). Im Folgenden werden einige Ergebnisse herausgegriffen. Zusammenfassungen zu allen Kernaussagen sowie zu jedem einzelnen Bereich sind im Internet verfügbar (siehe Infobox).

Die geringere Dauer der Schneedecke wird den Wintertourismus in seiner heutigen Form in tieferen Lagen vielfach nicht mehr ermöglichen, bessere Bedingungen für den Sommertourismus hingegen könnten in höhere Gästezahlen umgesetzt werden. Mehr Hitzetage werden die Gesundheit stärker belasten, aber auch die Arbeitsproduktivität in vielen Branchen vermehrt mindern. Extremereignisse wie Muren und Überschwemmungen drohen Wohngebäude und Verkehrsinfrastrukturen vermehrt zu schädigen und die Energieversorgung stärker zu beeinträchtigen. Umgekehrt entlastet weniger Heizaufwand durch mildere Winter unsere Brieftaschen und erhöhen längere Vegetationsperioden die Produktivität in der Landwirtschaft. Dürren und stärkerer Schädlingsdruck bedrohen andererseits land- und forstwirtschaftliche Erträge.

Viele der positiven und negativen Effekte können wir noch nicht genau beziffern, dies gilt vor allem für die Auswirkungen auf die Biodiversität und menschliche Gesundheit. Netto müssen wir durch jene Auswirkungen, die wir aktuell kennen, im Jahr 2048 mit einem zusätzlichen Schaden rechnen, und zwar in einer Größenordnung von zumindest jener der heuer vereinbarten Steuerreform – dieser ist dann jährlich zu finanzieren –, wenn wir ihn nicht durch gezielte gemeinsame Anpassung und (globale) Treibhausgasemissionsminderung mildern.

Was heißt das konkret für jeden Einzelnen? Greifen wir die Entwicklung der Hitzetage heraus. Während wir die Jahresdurchschnittstemperatur für 2048 relativ gut kennen, sind Anzahl, Stärke und Dauer von Hitzeperioden mit mehr Unsicherheiten verbunden. Zwei Szenarien:

► Ein durchschnittlicher Sommer im Jahr 2048: Eine ältere Dame erhält eine Hitzewarnung. In diesem Jahr werden derartige Warnungen ungefähr zwei- bis dreimal so oft wie noch um 2010 ausgesprochen. So muss in Wien in einem durchschnittlichen Jahr mit 22 Hitzetagen gerechnet werden; 2003 bis 2011 waren es noch zehn. Auch im Tiroler Oberland sind bereits zehn Hitzetage pro Jahr zu verzeichnen; 2003 bis 2011 waren es noch drei. Die Zahl der besonders gefährdeten Menschen, der Personen im Alter von 65 oder älter, ist mittlerweile stark angestiegen – von 1,5 Millionen im Jahr 2011 auf 2,6 Millionen. Das Gesundheitsrisiko für einen einzelnen Menschen an einem einzelnen Hitzetag zu sterben, hat sich geringfügig reduziert, da die Zahl der klimatisierten Räume bei den älteren Menschen um etwa zehn Prozent höher ist als zu Beginn des Jahrhunderts. Vor allem durch den Anstieg der Hitzetage und der wachsenden Zahl älterer Personen, aber auch unter der Annahme fehlender abgestimmter staatlicher Anpassungsmaßnahmen, sterben in diesem Szenario in einem durchschnittlichen Jahr um 2050 etwa 1000 ältere Menschen. Diese Abschätzung erfolgt unter der Annahme, dass Grünräume in Städten unter erhöhtem Aufwand gepflegt werden müssen, um eine ähnlich temperaturabschwächende Wirkung wie in der Vergangenheit zu erzielen.

► Die große Hitze – oder wie ein Jahr um 2048 auch aussehen könnte: Was Österreich an Hitzewellen rund um 2048 erlebt, haben Wissenschaftler erst für 2070 vorhergesagt. In einem besonders heißen Jahr sind sowohl auftretende Höchsttemperaturen als auch das Ausmaß der Temperaturschwankungen extrem geworden. Diese Schwankungen sind besonders belastend, weil sich weder der Körper so rasch umstellen kann noch der Mensch einfach sein gewohntes Verhalten so schnell ändert.

Die Gruppe der 65-jährigen und älteren Menschen ist auf fast drei Millionen angestiegen. Immer mehr dieser besonders gefährdeten Menschen leben in urbanen Zentren, in denen Hitzewellen zu besonders hohem Hitzestress führen. Zusätzlich haben Jahre nur schwachen Wirtschaftswachstums die finanzielle Situation vieler älterer Menschen angespannt. Die Wohnqualität ist leicht gesunken, Hitzetage sind für eine breitere Gruppe dadurch gesundheitlich noch belastender. Gleichzeitig hat sich auch aufgrund angespannter staatlicher Haushaltsbudgets durch schwaches Wirtschaftswachstum und der größeren Zahl der älteren Personen die medizinische Versorgung für den Einzelnen verschlechtert.

Während in einem durchschnittlichen Sommer vor allem ältere Personen betroffen sind, steigt angesichts der neuen Temperaturrekorde eines besonders heißen Jahres das Risiko auch für andere vulnerable Gruppen deutlich an. Hitzestress ist auch für Kleinkinder, chronisch Kranke oder Personen nach einem Krankenhausaufenthalt eine gefährliche Zusatzbelastung.

Dadurch sind die Todeszahlen gestiegen. Es werden etwa 6000 Todesfälle von älteren Personen sowie chronisch Kranken verzeichnet. Aber es geht nicht nur um Todesfälle. Der gestiegene Hitzestress macht das Leben für alle anstrengender. Schüler und Lehrer verlangen nach Hitzeferien, weil die Konzentrationsfähigkeit bei Hitze stark abnimmt. Andere Berufsgruppen mit hohen Arbeitsplatztemperaturen schließen sich dieser Forderung an. Vorbelastete Personen aller Altersgruppen mit schlechtem Gesundheitszustand leiden besonders. Die Lebensqualität aller ist bei anhaltender Hitze deutlich gesunken. Zudem kämpfen sowohl der Rettungsdienst als auch die Spitäler an Hitzetagen mit extremen Spitzenbelastungen. Die Versorgungsqualität kann dabei nicht durchgehend gewährleistet werden.

Mögliche Auswege

Die Hitzetage werden jedenfalls deutlich zunehmen. Die Zunahme führt bereits bei einer Trendfortschreibung zu hohen Opferzahlen. Je stärker sich die extremen Hitzetage entwickeln, umso wahrscheinlicher sind neue (auch unerwartete) Auswirkungen und Phänomene.

Ob die Hitzetage des Sommers 2048 noch belastender werden, hängt neben Veränderungen des Klimas und der sozioökonomischen Situation davon ab, ob gezielte Anpassungsmaßnahmen getroffen werden. Beispielsweise, ob für vulnerable Gruppen in besonders anfälligen Wohn- oder Arbeitssituationen Vorkehrungen getroffen werden.

Adäquate Maßnahmen dafür sind die Entschärfung von Wärmeinseln durch mehr Grünraum in dicht bebauten Gebieten, verbesserte Durchlüftung und Beschattung von leicht überhitzenden Wohnräumen und eine zielgruppennahe Information vor dem Auftreten von Hitzewellen. Das Risiko, durch Hitze zu erkranken oder zu sterben, ist in den nächsten Jahren durch vorkehrende Anpassung durchaus gestaltbar. Entschiedener Klimaschutz könnte das Risiko großer Hitzewellen (und anderer vielfältiger Folgen) deutlich verringern.

Zur Person

Karl W. Steininger ist Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre und Koordinator der Klimaökonomie am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz. Zudem ist er Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Ressourcenökonomik der German Economic Association sowie Mitherausgeber des Österreichischen Sachstandsberichts Klimawandel.
Willi Haas ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziale Ökologie des IFF der Universität Klagenfurt.

Web: http://coin.ccca.at
http://www.apcc.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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