Das Wasser muss teurer werden

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Bis 2048 wird der Wasserbedarf der Erde um die Hälfte steigen. Industrie und Landwirtschaft verschlingen die Ressource. Die Wirtschaft träumt vom Geschäft mit dem „Öl des 21. Jahrhunderts“, die UNO fürchtet eine Wasserkrise.

Wien. Zur Jahrtausendwende war es Analysten klar: Wasser wird das Erdöl des 21. Jahrhunderts. Eifrig wurden Pläne geschmiedet, wie die wertvolle Ressource aus den Alpen in Fässern Richtung Saudiarabien verkauft werden kann. Inzwischen ist der erste Hype verflogen, als „Öl des Jahrhunderts“ gelten heute private Daten der Menschen.

Dabei hat sich an den Vorzeichen nichts geändert: An manchen Orten der Erde wird Wasser knapp. Der globale Bedarf steigt doppelt so schnell wie die Weltbevölkerung. Um das Problem zu sehen, muss man nicht bis in die Entwicklungsländer schauen, in denen hunderte Millionen immer noch auf einen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser warten. Es genügt ein Blick nach Kalifornien. Seit vier Jahren warten die Landwirte dort vergeblich auf den erlösenden Regen. Mittlerweile hat die Dürre derart drastische Ausmaße angenommen, dass die Viehzüchter und Bauern trotz ihrer Sonderrechte aus einigen Flüssen kein Wasser mehr abpumpen dürfen.

Bis zur Mitte des Jahrtausends wird sich das Problem noch deutlich verschärfen, warnen die Vereinten Nationen in ihrem aktuellen „Weltwasserbericht“. Um die stark steigende Zahl an Menschen auf dem Planeten mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln zu versorgen, wird 55 Prozent mehr Wasser notwendig sein als heute. Nur: woher nehmen? Denn obwohl zwei Drittel der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt sind, können davon nur die drei Prozent Süßwasser direkt als Trinkwasser oder für die Bewässerung eingesetzt werden. Bis 2050 wird jeder zweite Erdbewohner in einer Region leben, in der die Wasserversorgung unter Stress steht, schätzt die UNO. 200 Millionen Menschen werden immer noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.

Der Hunger sorgt für Durst

Schuld daran ist vor allem der wachsende Hunger der Menschen. Schon heute verschlingt die Landwirtschaft 70 Prozent der nutzbaren Wasserreserven, errechnet die Welternährungsorganisation FAO. Zur Jahrhundertmitte werden die Bauern eine Milliarde Tonnen mehr Getreide und 200 Millionen Tonnen mehr Fleisch erzeugen, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Tun sie das wie bisher, wird der Planeten stellenweise austrocknen. Schon heutige Anbaumethoden führen dazu, dass zur Herstellung eines einzigen Fast-Food-Menüs mit Hamburger, Pommes frites und Softdrink rund 6000 Liter Wasser verbraucht werden, schätzt der WWF. Doch die Landwirtschaft ist mit ihrem steigenden Durst nach Wasser nicht allein. Bis 2050 greift vor allem die Industrie verstärkt auf die Ressource zu. Ihr Wasserverbrauch wird sich vervierfachen. Während westliche Großkonzerne meist schon sparsam mit Wasser umgehen, liegen die Potenziale in den Entwicklungs- und Schwellenländern sowie bei westlichen Klein- und Mittelbetrieben weitgehend brach. Auch die Stromerzeugung in Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken benötigt zur Kühlung der Systeme zunehmend mehr Wasser, warnt die UNO. Sie rechnet mit 140 Prozent mehr Wasserbedarf in diesem Sektor und drängt daher auf einen verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energieträgern. Selbst die Haushalte, die bisher nur zehn Prozent des Wasserverbrauchs ausmachen, werden bis 2050 um 130 Prozent mehr fordern.

Grundwasserspiegel sinkt

Neben dem schärferen Kampf um die knappe Ressource muss die Landwirtschaft vor allem eine Entwicklung fürchten: das Sinken des Grundwasserspiegels. Zwanzig Prozent der Grundwasserreservoirs werden übernutzt. In manchen Regionen in Nordchina ist der Grundwasserspiegel bereits um mehr als vierzig Meter gefallen. Verursacher – und zugleich hauptbetroffen – ist die Landwirtschaft mit ihren ineffizienten Bewässerungsmethoden

Die Chancen stehen also gut“ dass Wasser doch noch das Öl des 21. Jahrhunderts werden wird. Damit das wirklich Realität werden kann, muss allerdings einer der ältesten ökonomischen Mechanismen zu greifen beginnen: die preistreibende Kraft von knappem Angebot und steigender Nachfrage. Spätestens dann werden sich Unternehmen finden, die die angesagte Katastrophen noch abwenden könnten. Unternehmen wie Newater, das in Singapur seit Jahren Abwasser wieder in Trinkwasser verwandelt. Derzeit jedoch sind die Wasserpreise so niedrig, dass die Verschwendung in reichen Ländern nicht eingedämmt wird und sich Wasserleitungen zu den Ärmsten oft nicht lohnen. Ihnen bleibt nur der Griff zur teuren Wasserflasche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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