Moskau prüft: Unabhängigkeit der Balten-Staaten „illegal“?

Norwegische F-16-Jets italienische Eurofighter patroullieren im Zuge einer Nato-Übung über den Balten-Staaten.
Norwegische F-16-Jets italienische Eurofighter patroullieren im Zuge einer Nato-Übung über den Balten-Staaten.(c) REUTERS
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Litauens Außenminister sagt zu einer möglichen Prüfung der Unabhängigkeit der Balten-Staaten zur „Presse“: „Rechtlich, politisch, moralisch absurd.“

„Wir im Kreml wussten nichts von der Initiative“, behauptet Dmitrij Peskow. „Es fällt mir auch schwer, die Sinnhaftigkeit dahinter zu verstehen.“ Trotz der Beschwichtigungen des Kreml-Sprechers – der Schaden war schon angerichtet. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Meldung verbreitet, dass Russland die Unabhängigkeit der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen auf ihre Legalität überprüfen wolle. Laut BBC hatten zwei Abgeordnete von Wladimir Putins Partei Einiges Russland den Antrag im Parlament eingebracht.

Litauens Außenminister Linas Linkevičius bezweifelt, dass der Kreml davon wirklich nichts wusste: „Es ist nicht meine Aufgabe, jemandem etwas zu unterstellen. Es fällt mir aber sehr schwer, an solche Zufälle zu glauben“, sagt er zur „Presse“. Den Vorstoß geißelt er als „rechtlich, politisch und moralisch absurd“. Ohne Not seien damit die ohnehin vorhandenen Spannungen verschärft und die Bevölkerung weiter verunsichert worden. Daran änderten auch die Beschwichtigungen aus dem Kreml nichts, so Linkevičius.

Rund 25 Jahre ist es her, dass die baltischen Staaten nach einem halben Jahrhundert unter sowjetischer Besatzung ihre Unabhängigkeit erklärten. Zunächst hatte die Sowjetunion noch versucht, die Freiheitsbestrebungen blutig niederzuschlagen. Im Herbst 1991, kurz vor der Implosion des Riesenreichs, gab Moskau dann aber doch seinen Sanktus für die Eigenständigkeit der Balten-Republiken.

Parallelen zur Krim

Die beiden Parlamentarier der Putin-Partei behaupten nun, dass der Beschluss damals von einem „verfassungswidrigen Gremium“ getroffen worden sei. Am Dienstag nahm der Staatsanwalt dazu seine Ermittlungen auf, vermeldete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Er werde die Rechtmäßigkeit des Entscheids des sowjetischen Staatsrats im September 1991 prüfen. Als höchstes Organ der Staatsmacht in den letzten Monaten der Sowjetunion hatte ebendieser Rat unter Michail Gorbatschow die Abspaltung der baltischen Staaten abgesegnet.

Erst vergangene Woche erklärte der russische Generalstaatsanwalt die Übergabe der Krim von Russland an die Ukraine im Jahr 1954 für illegal. Die Annexion der Halbinsel und der Krieg in der Ostukraine haben die Ängste im Baltikum vor dem mächtigen Nachbarn geschürt. Alle drei Länder rüsten auf, die Nato verstärkt demonstrativ ihre Präsenz in der Region. In Estland und Lettland hegt man zudem die Sorge, der Kreml könnte die großen russischen Minderheiten in den beiden Ländern aufwiegeln.

Trotz der Entrüstung an der Nato-Ostflanke: Rechtliche Konsequenzen würde das nun eingeleitete Verfahren ohnehin nicht haben – egal, wie es ausgeht, behauptete eine Quelle gegenüber Interfax.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2015)

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