ÖBB-Güter: „Wir erwarten ein Minus von 20 Prozent“

INTERVIEW. Güterverkehrschef Friedrich Macher will 150 Mio. Euro einsparen.

Die Presse: Die Rail Cargo Austria (RCA) war bislang die einzige ÖBB-Tochter, die operativ ein Plus einfahren konnte. Dies ist heuer nicht mehr gesichert. Manche rechnen mit Rückgängen beim Güterverkehr bis zu 30 Prozent. Womit rechnen Sie?

Friedrich Macher: Wir mussten in den ersten vier Monaten 2009 einen Rückgang der Frachten um 19 Prozent hinnehmen. Wir erwarten, dass dieses Minus im Jahresverlauf geringer wird. Für das Gesamtjahr erwarten wir ein Minus von 15, schlimmstenfalls 20 Prozent. Wir haben bereits ein Maßnahmenpaket geschnürt, das 150 Mio. Euro an Kosten einsparen soll.

In welchen Bereichen wird gespart?

Macher: Einsparen wollen wir zuerst bei den allgemeinen Verwaltungskosten. Dann soll es bei den Personalkosten Einsparungen durch die Nichtnachbesetzung natürlicher Abgänge geben. Zusätzlich fallen die Mieten für Waggons weg, die wir nicht mehr brauchen. Die Zahl unserer Standorte soll optimiert und unsere Investitionen sollen zeitlich besser an die wirtschaftliche Situation angepasst werden. Zudem gibt es Synergieeffekte aus der Zusammenführung mit MÁV-Cargo (die von der RCA kürzlich übernommene ungarische Güterverkehrsbahn, Anm. d. Red.).

Wie stark wird sich dadurch Ihr Personalstand reduzieren?

Macher: Um eine deutlich dreistellige Zahl (heute knapp 8000, Anm.).

Sie kämpfen gegen einen Umsatzrückgang von 15 Prozent und versuchen diesen mit einem Sparpaket abzufangen. Wird es 2009 noch ein operatives Plus geben?

Macher: Für ein operatives Plus müsste die Erholung wesentlich stärker ausfallen als derzeit erwartet. Aber ich glaube, dass wir nahe an ein ausgeglichenes Ergebnis herankommen werden, was ohnehin ein großes Stück Arbeit ist. Vor allem, da der Preiswettbewerb mit der Straße stark zugenommen hat. Die Kosten für Lkw-Transporte sind zum Teil um 60 Prozent gefallen.

In der Bilanz 2008 wurde die RCA durch außertourliche Abschreibungen ins Minus gedrückt. Der Wert der Waggons wurde um 60 Prozent reduziert. Dabei hat die RCA eben erst tausende Waggons neu gekauft. Wurde hier falsch investiert?

Macher: Mit Sicherheit nicht. Wir haben zwar die Auslieferung bei jenen Waggontypen, bei denen die Nachfrage gesunken ist, nach hinten verschoben. Grundsätzlich war die Investition aber richtig. Bislang hatten wir viele Mietwaggons, die wir nun zurückgeben.

Warum musste man dann aber 60 Mio. Euro abschreiben?

Macher: Im Intermodalgeschäft (Container und rollende Landstraße, Anm.) lassen die aktuellen Dumpingpreise auf der Straße keine entsprechende Kostendeckung in den nächsten Jahren zu. Das Geschäft macht aber nur ein Viertel unseres Umsatzes aus. Wir erwarten, dass sich das nach dem Ende der Krise wieder ändert. Dann könnten diese 60 Mio. Euro wieder zugeschrieben werden.

Abschreibungen gab es auch bei der MÁV-Cargo. Und zwar in Höhe von 16 Prozent des Kaufpreises, der erst im Herbst gezahlt wurde. War die MÁV-Cargo überteuert?

Macher: Nein. Allein die Synergieeffekte werden schlussendlich 47 Mio. Euro ergebniswirksam zusätzlich bringen. Heuer werden wir bereits 15 Mio. Euro heben, was uns während der Krise guttut. Die Abschreibung wurde aufgrund des operativen Ergebnisses der MÁV-Cargo im Jahr 2008 durchgeführt. Der strategische Wert der MÁV-Cargo ist unschätzbar.

Anlässlich der ÖBB-Bilanz, die fast eine Mrd. Euro Verlust beinhaltete, gab es Kritik an den Boni der ÖBB-Manager. Sie sind einer dieser Manager. Verstehen Sie die Aufregung?

Macher: Erstens ist die Formulierung „Boni“ nicht angebracht. Es handelt sich um Zielvereinbarungen, für deren Erreichung variable Gehälter gezahlt werden. Das ist nichts Illegales, was da geschieht. Außerhalb von Österreich – vor allem in der Finanzwirtschaft – hat es zuletzt sicher einen Missbrauch von Boni gegeben. Das auf uns zu übertragen ist nicht korrekt. Ich bin im Vorjahr zur ÖBB gestoßen und habe einen marktüblichen Vertrag mit Fixum und Leistungsprämie. Dass es für 2009 angesichts der Lage Zurückhaltung geben sollte, dafür gibt es bei mir und bei vielen Kollegen Verhandlungsbereitschaft.

Die ÖBB wird ja vor allem durch hohe Ausgaben für die Infrastruktur belastet. Die RCA ist ein Kunde dieser Infrastruktur. Wie sehr benötigen Sie etwa den Koralmtunnel?

Macher: Wir als RCA brauchen nicht nur die Schienen, sondern vor allem auch Containerterminals, um die Fracht umzuladen. Daher sind wir froh, dass mehrere solche Projekte im Rahmenplan sind. Bis so langfristig angelegte Projekte wie der Koralmtunnel für uns merkbar werden, wird noch einige Zeit vergehen. Daher kann ich das jetzt nicht beurteilen.

Aber gibt es Bedarf auf dieser oder anderen Tunnelstrecken?

Macher: Beim Koralmtunnel könnte es möglicherweise durch die MÁV-Cargo-Integration einen steigenden Bedarf geben. Beim Brenner sind wir aufgrund der Verladestellen an den Kapazitätsgrenzen.

Auf der Brennerstrecke gibt es laut Studien aber noch Kapazität.

Macher: Die Schienenkapazität ist noch aufnahmefähig. Aber sicherlich auch nicht endlos.

Zur Person

Friedrich Macher (geboren 1952) sitzt seit Anfang 2008 im Vorstand der RCA, der Güterverkehrssparte der ÖBB, und ist für den Vertrieb sowie für den Speditions- und Logistikbereich verantwortlich. Zuvor war er Österreich- und Südosteuropa-Chef der Spedition Kühne+Nagel. „Ich habe eine fundierte Außensicht der Bahn, nun will ich diese mit der Innensicht vergleichen“, sagte er damals. [Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2009)

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