Das Gericht urteilt, der Künstler muss liefern

Ein Kunstspekulant war mit der "Lieferung" eines Künstlers nicht zufrieden. Er klagte – mit Erfolg.

Vor knapp einem Jahr berichtete die „Presse“ von der Klage des holländischen Art Flipper Bert Kreuk gegen den Künstler Danh Vo. Der dänisch-vietnamesische Jungstar, der heuer Dänemark auf der Biennale Venedig vertritt, hätte ein raumfüllendes Werk zu der von Kreuk organisierten Sammlungsausstellung „Transforming the Known“ beisteuern sollen. Vo lieferte aber nur eine seiner Papparbeiten, auf der ein einzelner Buchstabe in Blattgold prangt.

Das war Kreuk zu wenig, zu klein, wohl auch zu billig. Er zog vor Gericht. Kreuk berechnete den Wert des erwarteten, aber nicht gelieferten Werkes auf 270.000 Euro, plus Wertsteigerung und dazu der Schaden an seinem Ruf – insgesamt wollte er 898.000 Euro von dem Künstler oder ein adäquates Werk. Dabei war Vos Entscheidung, sich weitmöglichst aus der Ausstellung zurückzuziehen, absolut verständlich. Denn der Art Flipper lieferte zwei Wochen nach Ausstellungsende gleich alles an ein Auktionshaus weiter. Der so selbstverständlich benutzte Begriff „Sammlung“ bekam damit eine neue Bedeutung, nämlich ein schlichtes Einsammeln und anschließendes Verscherbeln. Und auch Kreuks Ausstellungstitel war damals wohl prophetisch gewählt: „Transforming the Known“ bezog sich wohl weniger auf inhaltliche oder formale Qualitäten der Kunst als auf einen gravierenden Strukturwandel im Kunstbetrieb: Anstatt Künstler zu unterstützen, verklagen Sammler sie.


Strafe für jeden Tag Verzug. Jetzt wurde in Rotterdam das Urteil gefällt. Kreuk hat gewonnen. Der Künstler muss liefern, und zwar innerhalb eines Jahres ein Werk im Wert von 350.000 Euro. Als ob das nicht schon absurd genug wäre, müssen Vo und seine Galerie Isabella Bortolozzi für jeden Tag Verzug 10.000 Euro Strafe zahlen. Was Vo liefern muss? Ein „space-filling artwork“. Kreuk forderte vor Gericht sogar, das große Werk müsse innerhalb von zwei Wochen nach Urteilsverkündung an ihn geliefert werden. Wenigstens in diesem Punkt hat das Gericht nicht nachgegeben: Erst müsse sich die Beziehung zwischen den beiden Parteien normalisieren und Vo seinen anderweitigen Verpflichtungen nachgehen können, heißt es im Urteil.

Aber Kreuk ging noch einen Schritt weiter, er nannte konkrete Werke, die Vo doch einfach reproduzieren solle – auch das lehnte das Gericht ab. „Transforming the Known“ – wie brachial sich dieser Titel bewahrheitet hat: Statt dass ein Sammler einen Künstler respektiert, wird dieser per Gerichtsentscheid zum Lieferanten von Ware degradiert.

Vos Reaktion auf den Wahnsinn? In einem E-Mail an „Artnet News“ schreibt er, er sehe seine künstlerische Integrität durch das Urteil verletzt. Denn nicht nur muss er den Wert von 350.000 Euro erfüllen, er soll sogar ein „großes und beeindruckendes Werk“ für Kreuk produzieren, wie es im Urteil lautet. Die nächste Klage ist vorprogrammiert, denn wer wird über das Prädikat „beeindruckend“ entscheiden – der Art Flipper?

Rechtsstreit

Eingeklagte Kunst. Im September verklagte ein niederländischer Kunstspekulant einen Künstler. Das Urteil zeigt einen massiven Strukturwandel im Kunstbetrieb: Der Künstler Danh Vo unterliegt dem Art Flipper Bert Kreuk und muss dem Kläger ein „beeindruckendes Werk“ schaffen.

Ein Art Flipper kauft Kunst, um sie möglichst schnell gewinnbringend weiterzuverkaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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