Chinas Börsencrash und die Folgen für den Westen

(c) Bloomberg (Tomohiro Ohsumi)
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Während in Europa alles nach Griechenland blickt, erlebt China einen gewaltigen Börsencrash. Dieser könnte auch ernsthafte Folgen für die westlichen Industrieländer haben.

Peking. Europa ist momentan vor allem mit der Griechenland-Krise beschäftigt. Dabei lohnt sich in diesen Tagen auch ein Blick in den Fernen Osten. Denn da kracht es ebenfalls gewaltig. Und zwar in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt: China.

Die chinesischen Börsen sind am Mittwoch den zweiten Tag in Folge kräftig abgestürzt. Der Shanghai Composite Index – das wichtigste Börsenbarometer auf dem chinesischen Festland – öffnete gleich zum Handelsauftakt um bis zu acht Prozent niedriger als am Vorabend. Bereits am Dienstag sackte er um mehr als fünf Prozent ab.

Seit dem Höchstwert Anfang Juni hat Shanghais Börse um mehr als 30 Prozent an Wert verloren. Der Marktwert der an den chinesischen Börsen notierten Unternehmen sank dabei um umgerechnet rund 3,5 Billionen Dollar. Bei der chinesischen Führung schrillen die Alarmglocken: Um den Kurssturz aufzuhalten, haben die Aufsichtsbehörden am Mittwoch die Aktien von fast 1300 Unternehmen aus dem Handel genommen. Nun fürchten Ökonomen, dass der Crash in China auch Folgen für den Rest der Welt haben könnte. Die wirtschaftliche Erholung in den westlichen Industrieländern hänge an einem seidenen Faden. Einem chinesischen Faden, befürchten Finanzexperten.

In China versucht man hingegen zu beruhigen. Louis Gave vom unabhängigen Wirtschaftsinstitut Dragonomics weist darauf hin, dass Chinas Aktienmärkte weiter sehr abgeschottet sind und im Verhältnis zur chinesischen Gesamtwirtschaft nur eine geringe Rolle spielen. Und auch der chinesische Ökonom Li Daokui geht davon aus, dass die Auswirkungen auf die Realwirtschaft gering bleiben dürften. So wie das Geld über die großzügigen Kredite innerhalb kurzer Zeit geschaffen wurde, sei ein Teil zwar wieder weg. Die Gewinne waren aber noch nicht in großen Mengen in die Realwirtschaft geflossen.

Aktienblase ist geplatzt

Dem Crash ging nämlich eine Aktienblase voraus, die wiederum viele real nicht vorhandene Milliarden in die Märkte gespült hatte. Bis Mitte Juni war der Shanghai Composite innerhalb eines Jahres um mehr als 150 Prozent in die Höhe geschossen. Die chinesische Führung hatte dieses Börsenfieber befeuert. Sie sah im Zuge ihrer Finanzmarktreformen die Zeit reif, die bis dahin recht sparwütigen Chinesen zu bewegen, ihr Geld auf den chinesischen Aktienmärkten anzulegen. Die Zentralbank vergab großzügige Kredite und ermunterte die Bürger dazu, Aktiendepots zu eröffnen.

Der Anreiz wirkte. Ganz China befand sich im Börsenfieber. Selbst Taxifahrer spekulierten mit. Wer Ende Mai seine Aktienpakete abstieß, konnte es denn auch zu einem Vermögen bringen. Doch inzwischen läuft die von der chinesischen Führung selbst initiierte Aktienrallye völlig aus dem Ruder. Nachdem sie Anfang Juni aus Furcht vor einer zu großen Blase die Kreditvergabe zunächst wieder einschränkte, kam es zum ersten Knall. Binnen einer Woche verloren die Aktienwerte zwölf Prozent. Was folgte, war ein Hickhack, den selbst gewiefte Börsianer noch nicht erlebt haben: Chinas Zentralbank senkte die Zinsen und die Handelsgebühren, um den Absturz abzubremsen. Prompt schossen die Kurse wieder in die Höhe. Dann dämmte die Staatsführung den spekulativen Handel mit Hebelprodukten ein. Die Kurse brachen erneut ein.

Am vergangenen Wochenende setzte Chinas Premierminister, Li Keqiang, neue Börsengänge vorerst aus und verpflichtete Wertpapierhäuser dazu, Aktienpakete zu kaufen. Das sollte die Märkte beruhigen. Doch die Wirkung hielt nicht lang. Nach einem Zwischenhoch am Montag rauschen die Kurse seit Dienstag immer weiter in den Keller. Mit dem nun beschlossenen Handelsverbot zieht Peking die Notbremse. Fast die Hälfte des Handels ist ausgesetzt.
Was bleibt ist ein banger Blick in die Zukunft: Der Versuch, das Sparvermögen der Bürger anzuzapfen, damit verstärkt in Chinas schwächelnde Wirtschaft investiert wird, hat ein jähes Ende gefunden. Mit neuen Wachstumsimpulsen aus dem Reich der Mitte ist nach diesem gescheiterten Experiment vorerst wohl nicht zu rechnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2015)

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