Mit der Peitsche des Gesetzes zum totalen Überwachungsstaat

Chinas starker Mann Xi Jinping verstört mit seiner aggressiven Außenpolitik die Nachbarn und zieht im Inneren die Schrauben bedenklich an.

So ganz bei der Sache wird der chinesische Staatschef, Xi Jinping, vermutlich nicht gewesen sein, als er sich am Mittwoch mit seinen Kollegen aus Brasilien Russland, Indien und Südafrika in der russischen Stadt Ufa zusammensetzte, um sich über globale wirtschaftliche und politische Fragen auszutauschen. Zu Hause, an der Börse in Shanghai, war gerade der Aktienmarkt eingebrochen – der größte Kurssturz seit 20 Jahren. Die Schockwellen bekamen augenblicklich auch die Börsen der asiatischen Nachbarn zu spüren, Panik drohte sich auszubreiten. Wobei Kenner des Börsengeschehens schon seit Langem vor diesem Szenario gewarnt haben.

Als ob Xi Jingping nicht schon genug andere Probleme am Hals hätte: Die Umstellung auf ein neues wirtschaftliches Wachstumsmodell mit nicht mehr zweistelligen Zuwachsraten erweist sich als schwierig. Die Volksrepublik bleibt trotz aller Erfolge bei der Armutsbekämpfung in den vergangenen Jahrzehnten potenziell ein soziales Pulverfass. Wehe, wenn es einmal zu einer Vernetzung der jährlich zigtausenden Proteste auf lokaler und regionaler Ebene gegen soziales, administratives oder ökologisches Unrecht käme.

Mit der expansiven außenpolitischen Strategie im Ost- und Südchinesischen Meer erwirbt sich Peking neue Gegenspieler und treibt alte wie Japan noch mehr in die Arme der USA, denen China die Führungsrolle im pazifischen Raum streitig machen will. Stimmen jüngste Berichte, wonach das chinesische Militär plant, die großen Flüsse in Tibet, die nach Südostasien und auf den indischen Subkontinent strömen, umzuleiten, könnte das Misstrauen der Nachbarn Chinas eine gefährliche Temperatur erreichen. Kommende Kriege ums Wasser prophezeien Konfliktforscher schon seit Längerem.

Was wir seit Xis Machtantritt sehen, ist ein aggressiveres Auftreten nach außen und ein Anziehen der Schrauben im Inneren. Xi hat eine solche Machtfülle angesammelt, wie sie seit Mao kein chinesischer Führer mehr hatte. Die ersten Jahre nutzte er eiskalt aus, um mittels einer Antikorruptionskampagne potenzielle Widersacher in der Partei auszuschalten, wobei diese Aktion scharf bei der breiten Bevölkerung zweifellos gut ankommt. Nur verunsichert sie mittlerweile die Funktionäre im ganzen Land derart, dass diese keine eigenen Initiativen mehr wagen. Der politische Prozess im Land ist damit blockiert, weil immer alle ängstlich nach Peking blicken.

Nachdem Xi solcherart die Partei voll unter seine Kontrolle gebracht hat, geht er in diesem Jahr nun daran, die (Zivil-) Gesellschaft und alle in der Volksrepublik tätigen in- und ausländischen Nichtregierungsorganisationen noch fester an die Kandare zu nehmen. Gerade beim Umgang mit ausländischen NGOs haben sich die Chinesen Putins Russland zum Vorbild genommen, wo Aktivisten, die nicht nach der Pfeife des Kreml tanzen, schon seit Jahren schikaniert werden. „Bekämpfung feindlicher westlicher Kräfte“ heißt die Devise. Westliche Werte wie Pressefreiheit, Rechtssicherheit oder Zivilgesellschaft – von all diesem „Teufelszeug“ gehört die russische, respektive die chinesische Gesellschaft abgeschirmt, um ja kein Aufflackern einer „farbigen Revolution“ zuzulassen.

So passierten deshalb zuletzt gleich drei Gesetze den Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses: ein NGO-Gesetz, das in 67 Paragrafen alle Initiativen, Stiftungen und Organisationen, die Verbindungen zum Ausland haben, der Kontrolle der Polizei unterstellt; ein neues Sicherheitsgesetz, das nun auch Wirtschaft, Finanzen, Wissenschaft, Technologie und Cyberspace der nationalen Sicherheit unterordnet. Alles, was „die wirtschaftliche und soziale Entwicklung“ oder das „Wohlergehen des Volkes“ bedroht, gilt als Gefahr für die nationale Sicherheit. Also praktisch alles, was nicht nach dem Geschmack der chinesischen KP ist. Schließlich ist auch noch ein spezielles Gesetz zur Kontrolle des Internet in Vorbereitung.

Xi treibt also mit der Peitsche des Gesetzes China zum totalen Überwachungsstaat. Ob das dem Riesenland guttut, darf mehr als bezweifelt werden. Höchste Zeit für Xi, dass er sich die Anregungen für seine Politik von woanders holt als aus Moskau.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2015)

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