Öfter Umsteigen: Ein guter Mix für die Entlastung der Straßen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Multimodalität lautet ein Schlagwort der Verkehrsplaner. Wie simple Ideen das Kombinieren erleichtern.

Wien. Wie wir uns in zehn, in 20 Jahren und danach durch die Städte bewegen werden? Sollte nichts dramatisches dazwischenkommen, dann noch immer per Auto, per S- und U-Bahn, Bus, Straßenbahn, Fahrrad und per Pedes. Aber – auf den Mix kommt es an, und dieser verändert sich. Intermodale oder multimodale Mobilität: Was wenig sexy klingt, sind Zauberworte der Verkehrsplaner und -forscher, wenn es um das Fortbewegen in der Zukunft geht. Das Kombinieren unterschiedlicher Verkehrsmittel nimmt zu, Mobilität wird vielfältiger. „Der Autofahrer“, dem „der Radfahrer“ auf die Nerven geht, ist genauso ein Auslaufmodell wie „der“ Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel.

Vor allem junge Menschen, das zeigen Untersuchungen des Verkehrsverhaltens, werden flexibler: bei Sonne das Fahrrad, bei Schlechtwetter die U-Bahn, am Wochenende das Auto. Oder: mit dem Auto vom Haus zur S-Bahn, von der Station in der Stadt per Fahrrad ins Büro. Immer mehr Menschen verwenden, je nach Zweck, auch für eine Strecke mehrere Verkehrsmittel. Neue Technologien spielen dem in die Hände: Per Apps lassen sich Standorte von Carsharing-Autos und Leihrädern finden – genauso, wie sich errechnen lässt, welches Verkehrsmittel auf einer Strecke zu welcher Zeit am schnellsten ist.

Um Multimodalität – die geschickte Kombination verschiedener Verkehrsmittel, die Straßen deutlich entlasten kann – zu erleichtern, arbeiten Verkehrsplaner an neuen Lösungen. Vor allem an Schnittstellen wie an Bahnhöfen kommen diese zum Einsatz.

Ein Good-Practice-Beispiel entsteht gerade am Wiener Hauptbahnhof: eine Fahrradgarage, die laut Plan im Herbst eröffnet wird. Derzeit sind die Verhandlungen mit dem neuen Betreiber in der Endphase. Dort soll man Fahrräder sicher abstellen können. Tagsüber ist die Station besetzt, es soll auch eine Service- und Reparaturstelle und einen Kleinteilehandel geben. Solche Räumlichkeiten, an denen man Räder sicher abstellen, ausborgen und reparieren lassen kann, sind in Holland, Deutschland und der Schweiz längst üblich, die Kosten belaufen sich für einen Kunden im Schnitt auf etwa sieben Euro im Monat. Eine absperrbare Garage gibt es auch in Hietzing oder am Hauptbahnhof Graz: Dort ist die Station zwar unbesetzt, die Abstellplätze werden aber videoüberwacht und es gibt eine Selfservice-Station. Am Bahnhof Baden gibt es eine Radgarage mit elektronischer Zugangskontrolle und Reparatur- und Servicestelle.

Rad-Lobbyisten kritisieren, dass solche Stationen beim Umbau der Bahnhöfe Praterstern und des Westbahnhofs nicht ausreichend mitgedacht wurden: Am Westbahnhof ist aktuell immerhin ein Konzept in Arbeit, um die Bike-and-Ride-Anlage (am Radweg Felberstraße) besser auffindbar zu machen.

Gefördert mit E-Bike zur Bahn

Andere Mittel, um die Kombination von Verkehrsmitteln zu erleichtern, sind etwa die Citybikes – ebenfalls im Ausbau – oder Falträder, die einfach in die U- oder S-Bahn mitgenommen werden können. Oder auch ein Projekt außerhalb Wiens: In der Steiermark kann man bei der Aktion „Mit dem E-Bike zur S-Bahn“ beim Kauf einer Jahreskarte für die S-Bahnen der Graz-Köflacher Bahn um 185 Euro pro Jahr ein E-Bike exklusiv für sich mieten, inklusive Service und Versicherung.

Kombinierte Lösungen wie etwa Tickets sind zentral für das leichtere Umsteigen: Etwa die Wienmobil-Karte: Das ist eine Jahreskarte der Wiener Linien, mit der man auch (teilweise vergünstigten) Zugang zu Wipark-Garagen, Wiener Lokalbahnen, Tank-Ladestationen der Wien Energie hat, bei Taxi 40100, 31300 und Citybike Wien bezahlen kann und Zugang zu Carsharing-Autos hat. Die Karte kostet mit 377 Euro zwölf Euro mehr als eine gewöhnliche Jahreskarte. Wie gut sie sich seit dem Start im März verkauft, das hat man bei den Wiener Linien aber noch nicht erhoben.

Autofahrer erinnern ans alte P&R

Doch bei aller Euphorie um neue Lösungen für Multimodalität, mahnen Autofahrerklubs, auf Autopendler nicht zu vergessen. Und auf bewährte Lösungen: Denn während an den Bahnhöfen im Umland Park-and-Ride-Anlagen gebaut werden, seien diese am Stadtrand, an den Anschlussstellen zum öffentlichen Verkehr, zu wenige. Und das zwinge Autofahrer, die abends keine Zugverbindung in ihre Region haben, mitunter, bis zu ihrem Arbeitsplatz per Auto zu fahren.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2015)

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