Warum die ORF-Gebühr endlich ersatzlos abgeschafft gehört

Für Deutschland wie für Österreich gilt: Die beiden Länder brauchen endlich eine liberale Rundfunkordnung, in der Zwangsabgaben keinen Platz mehr haben.

Wenn Justus Haucap, ein angesehener deutscher Ökonom und früherer Vorsitzender der Berliner Monopolkommission, die Programme von ARD oder ZDF anschaut, wird er ziemlich unrund. „Politische Information oder Kulturangebote sind bloß Krümel im Kostenblock der Sender. Warum brauchen wir Seifenopern für die Demokratie? Das ist Gerede aus der analogen Welt. Die Legitimation ist weg, aber ARD und ZDF ziehen sich nicht zurück. Eher dehnen sie sich aus, um die Stellung zu behalten. Das ist so, als würde die Bundeswehr sagen, der Kalte Krieg ist vorbei, lass uns aufrüsten,“ ärgerte er sich jüngst im „Spiegel“.

Würde Herr Haucap nicht nur ARD und ZDF konsumieren, sondern auch die Darbietungen des hiesigen ORF, käme er wohl zu keinem anderen Befund, ganz im Gegenteil. Der Professor hat dazu jüngst, zusammen mit zwei anderen Experten, ein Gutachten vorgelegt, das in Deutschland heftig diskutiert wird. Denn darin wird als Konsequenz aus dieser Diagnose gefordert, die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten zu privatisieren sowie die Fernsehgebühr ersatzlos abzuschaffen.

Aus dem Erlös dieser Privatisierung sei in der Folge eine Stiftung zu dotieren, bei der sich Private wie Sat1 und RTL genauso wie die privatisierten ARD und ZDF um Förderungen für demokratiepolitisch relevante Formate – wie etwa Nachrichten – bewerben können. Welch eine Vorstellung: ARD und ZDF müssten den Wettbewerb ohne den 7,5-Milliarden-Euro-Beitragsvorsprung aufnehmen.

In ihren Rundfunk- und Verwaltungsräten säßen nicht mehr Politiker zuhauf, die Ministerpräsidenten bestimmten nicht mehr die Medienpolitik – kurz: Der ganze Komplex löste sich auf. ARD und ZDF bekämen nicht mehr den inzwischen als „Demokratieabgabe“ verbrämten Zwangsbeitrag, „sondern müssten sich dem Publikum wirklich als besonders wertvoll erweisen“, lobte die „FAZ“ den „Haucap-Plan“ völlig zu Recht.

Ein Modell, das sich natürlich auch vorzüglich nach Österreich übertragen ließe. Der privatisierte ORF müsste so zwar auf rund 600 Millionen an ORF-Gebühren verzichten, könnte sich aber teilweise aus einer Stiftung (Wie wär's mit „Gerd-Bacher-Stiftung“?) finanzieren, die aus dem Erlös einer allfälligen ORF-Privatisierung gespeist würde – genauso wie Puls4, ATV oder andere private Anbieter von Fernsehprogrammen. Das hätte was.

Dass ein derartiges Modell in der Praxis durchaus funktionieren kann, zeigt das Beispiel von Neuseeland, mit 4,5 Millionen Einwohnern zwar kleiner, dafür geografisch mehrfach größer als Österreich. Dort muss sich die staatliche Fernseh- und Radioanstalt (BCNZ) über Werbung finanzieren, kann aber wie jeder Privatanbieter auch Subventionen bei der staatlichen Organisation NZ On Air abrufen – für Inhalte von „besonderem gesellschaftlichen Interesse“.

Die werden bei Bedarf in einem Wettbewerbsverfahren samt öffentlicher und transparenter Ausschreibung vergeben. Wer wofür welche Förderungen bekommt, wird öffentlich gemacht. Ergebnis: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt in Neuseeland die Steuer- und Gebührenzahler dramatisch billiger als jener in Deutschland (oder Österreich), rechnet Haucap vor.

Dabei geht es nicht nur um die durchaus erheblichen finanziellen Einsparungen zugunsten der Bürger, die sich mit einer „liberalen Rundfunkordnung“ erzielen ließen. Noch viel wichtiger wäre, dass eine derartige Privatisierung des ORF die Anstalt endlich dem Zugriff der Parteien und Politiker entziehen würde. Und zwar effizient und nachhaltig. Solang der Staat direkt oder indirekt der Eigentümer dieses Medienladens ist, wird dieser betrübliche und wenig appetitliche Zustand nämlich nicht zu beheben sein, völlig gleichgültig, welche Mechanismen ersonnen werden, um das zu camouflieren.

Ein wirklich vom Staat und den Parteien unabhängiger Rundfunk ist nur möglich, wenn Staat und Parteien nicht involviert sind. Alles andere ist Murks.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:
Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.