Es wimmelt im Salat

Salat
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Umweltbiologie. Grazer Forscher finden immer mehr Bakterien auf Kulturpflanzen. Doch die meisten sind für uns nützlich und gesund. In Salat stecken mehr Bakterien als vermutet.

Wir schleppen jeder fast zwei Kilogramm Mikroorganismen mit uns herum, das sogenannte Mikrobiom“, sagt Gabriele Berg vom Institut für Umweltbiotechnologie der TU Graz. Bei Menschen übersteigt die Zahl der Mikroorganismen sogar die der eigenen Körperzellen: Ihr stabiles Zusammenleben sichert unsere Gesundheit. „Bei immer mehr Krankheiten erkennt man, dass sie mit einem gestörten Mikrobiom zusammenhängen“, sagt Berg. Sie forscht an Bakterien, Pilzen und Archaeen, einzelligen Lebewesen, früher auch Urbakterien genannt.

Im Fokus steht, wovon wir uns ernähren: „Die beste Anti-Aging-Methode ist, so viele verschiedene Dinge wie möglich zu essen. Je mehr man in Kontakt mit verschiedenen Mikroorganismen kommt, umso größer wird die Vielfalt des eigenen Mikrobioms, das eine schützende Wirkung gegen krankmachende Keime bildet.“ Steril zu leben ist der falsche Ansatz: „Je vielfältiger das Netzwerk der Bakterien, umso stabiler ist es.“ Bergs Team erkundet das Mikrobiom von Pflanzen. Die Steirer haben bereits Mikroorganismen entdeckt, die Kürbisse vor schädlichen Erregern schützen. Und sie fanden heraus, dass der aromatische Geschmack von Erdbeeren ohne Bakterien nicht möglich wäre: Methylo-Bakterien auf den Erdbeerblättern liefern Vorstufen für die Aromasubstanzen, die in der Frucht „eingebaut“ werden.

Dass in dieser Fachrichtung fast monatlich neue Erkenntnisse gewonnen werden, wie eng Pflanzen mit Bakterien verwoben sind, liegt an den technischen Möglichkeiten seit den 2000er-Jahren. „Früher konnte man nur jene Mikroorganismen nachweisen, die im Labor in Kultur gewachsen sind. Doch das tun nur fünf bis zehn Prozent der Bakterien und Pilze, die in der Erde, auf einer Pflanze oder auf unserer Haut sind“, so Berg. Erst seit es Gensequenzierer mit Hochdurchsatzgeschwindigkeit gibt und mikroskopische Methoden, durch die man einzelne Bakterienarten sichtbar machen kann, erkennen die Forscher die Gesamtheit der Mikroorganismen.

Alle Sorten stammen von Wildkraut ab

Das jüngste „Opfer“ der Umweltbiologen war der Salat. „In einem EU-Projekt, gemeinsam mit Martin Grube von der Uni Graz, haben wir verschiedene Salatsorten analysiert und fanden sehr unterschiedliche Bakterien“, sagt Berg. „Bei der Masse an Mikroorganismen, die hier sichtbar wurde, habe sogar ich selbst einige Tage gebraucht, bis mir Salat wieder geschmeckt hat. Obwohl ich genau weiß, wie sinnvoll diese Vielfalt für unsere Gesundheit ist.“

Kooperationspartner bei dem Projekt war die Arche Noah, Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt: So erhielten die Forscher auch sehr ursprüngliche Arten. „Es überraschte uns, dass Salat schon im alten Ägypten und China als Kulturpflanze gezüchtet wurde. Alle stammen von einem Wildkraut-Vorfahren ab.“ Die Analysen zeigten, wie sich das Mikrobiom mit zunehmender Züchtung verändert hat: Es wurde immer weniger vielfältig. Der heute so beliebte Eisbergsalat beherbergt weniger nützliche Bakterien als ursprüngliche Sorten wie Forellensalat, Venezianer, Teufelsohr oder Roter Butterhäuptel.

„Interessant war, dass die meisten Bakterien nicht außen auf den Blättern sitzen, sondern durch eine Wachsschicht geschützt sind, also in den Blättern drin. Da hilft abwaschen gar nichts: Es ist aber ohnehin gesund, diese Bakterien zu essen.“ Zu Problemen mit Bakterien kommt es bei Salat eher durch nicht fachgerechte Lagerung oder bei verarbeiteten, vorgeschnittenen Mischungen. „Unter ungünstigen Bedingungen können sich Bakterien, die in geringer Menge positiv für die Gesundheit sind, so stark vermehren, dass sie zu Problemen führen“, sagt Berg.

Die neuen Erkenntnisse über schützende und schädliche Bakterien sollen in Zukunft auch der Landwirtschaft dienen. Die TU Graz arbeitet eng mit dem Acib, dem Austrian Center of Industrial Biotechnology, zusammen, einem von Wissenschafts- und Technologieministerium finanzierten Kompetenzzentrum. Erst kürzlich wurden Bakterien gefunden, die Kulturpflanzen wie Mais und Ölkürbis gegen Trockenstress schützen. „Wir wussten schon lang, dass Mikroorganismen die Pflanzen vor Schädlingen bewahren, aber nicht, dass sie auch abiotischen Stress abwehren“, so Berg.

Spermidin kann Pflanzen schützen

Nun setzt sie große Hoffnungen in Bakterien, die in heißen Sommern die Ernte sichern können: „Diese Mikroorganismen produzieren Substanzen, die in der Kosmetikindustrie in Anti-Aging-Cremen eingesetzt werden. Sie schützen die Pflanze vor Austrocknung. Auch Spermidin, das aus dem menschlichen Sperma als Schutzsubstanz bekannt ist, wird von den Bakterien im Bereich der Pflanzenwurzel massenweise produziert.“

Wie genau diese Substanz in Zukunft zum Pflanzenschutz eingesetzt werden soll, ist eine der anstehenden Forschungsfragen im Grazer Labor.

LEXIKON

Symbiose. Pflanzen und Bakterien leben in Symbiose, das bedeutet, beide Partner profitieren vom Zusammenspiel. Die Wichtigkeit von Bakterien auf und in Pflanzen erkennen auch große Firmen der Agrochemie: So soll in Zukunft mithilfe von Bakterien der Einsatz von Pestiziden minimiert werden.Dazu werden Pflanzensamen vor der Aussaat von nützlichen Bakterien umschlossen. Während die Saat keimt, entwickeln sich die Mikroorganismen und versorgen die Pflanze mit Nährstoffen. Das fördert wiederum das Wachstum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2015)

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