Der China-Crash ist noch nicht ausgestanden

WIRTSCHAFT Boersen Crash in China 150709 SHANGHAI July 9 2015 Investors look through stock
WIRTSCHAFT Boersen Crash in China 150709 SHANGHAI July 9 2015 Investors look through stockimago/Xinhua
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Warum der China-Crash noch nicht wirklich ausgestanden ist und Apple gerade eine Schwächephase durchmacht.

Wer beschreiben müsste, was unter Volatilität zu verstehen ist, der könnte zur Veranschaulichung ruhig den DAX-Chart der vergangenen Woche heranziehen: Gut 800 Punkte zwischen Wochentief und Wochenhoch sieht man nicht so oft. Selbst der gemächlichere ATX brachte es auf 130 Punkte Schwankungsbreite. Am Ende der Woche lagen die Notierungen aber durchwegs über den Werten des Wochenbeginns. Also ist die Woche gar nicht so schlecht gelaufen.

Allerdings sollte man sich nicht täuschen lassen: Wir haben es derzeit mit politischen Börsen zu tun. Die massiven Interventionen der chinesischen Regierung und das sich abzeichnende vorläufige Happy End in Griechenland haben die Kurse am Freitag ebenso explodieren lassen, wie sie in der ersten Wochenhälfte durch China-Crash und Grexit-Sorgen in den Keller geprügelt worden sind.

Allerdings: Die Sprünge am Freitag waren zu kräftig. Wer nicht Donnerstagabend eingestiegen ist, hat das Beste schon versäumt. Es ist nicht anzunehmen, dass es in diesem Stil weiter nach oben geht. Dafür werden schon Gewinnmitnahmen sorgen, die bald einsetzen werden.

Und: Dramatisch viel geändert hat sich am Freitag nicht. In Griechenland ist die unmittelbare Gefahr eines Zusammenbruchs vorerst gebannt (zumindest sah es gegen Wochenschluss so aus). Aber der mühsame Sanierungsalltag wird die Märkte sehr bald wieder in seinen Bann ziehen.

Und in China hat das beherzte Eingreifen der Regierung vorerst zwar dafür gesorgt, dass der Kursrutsch bei einem Minus von annähernd 30 Prozent zum Stillstand gekommen ist. Die Betonung liegt aber auf „vorerst“. Experten rätseln jedenfalls, wie lang es die Chinesen schaffen, den Markt mit Milliardeninfusionen ruhig zu halten. Denn die chinesische Aktienblase sieht noch immer furchterregend aus. Da könnte noch etwas nachkommen. Der ausgewachsene Crash an den chinesischen Inlandsbörsen hat natürlich (zumindest vorübergehend) auch Aktien jener chinesischen Unternehmen, die auf dem Weltmarkt gut verankert sind, mitgerissen. Und ebenso jene internationalen Konzerne, die in China stark engagiert sind.

Betroffen war also beispielsweise unsere vorwöchige Empfehlung Jinko Solar (ISIN US47759T1007), die rasant abstürzte, aber dann auch wieder flott Fahrt aufnahm. Bei diesem Solarwert ist Panik freilich unangebracht. Das Unternehmen gehört zu den Panelherstellern mit den weltweit günstigsten Produktionskosten und hat sich mit dem Aufbau von großen Solarparks ein starkes zweites Standbein geschaffen. Fundamental ist der Wert zu derzeitigen Notierungen ein ausgeprägtes Schnäppchen.

Die Kapriolen des China-Markts wird er zwar gebremst mitfahren. Aber langfristig sieht das nach Value aus. Barclays hat das Papier soeben auf „Overweight“ gestuft. Wer investiert ist, hat also keinen Grund, davonzulaufen. Wer nicht drin ist, wartet ab, bis sich die Lage beruhigt hat.

Ähnlich sieht es auch für unsere Dauerempfehlung Apple (ISIN US0378331005) aus: Die schwächelt derzeit ein wenig, weil eben das China-Geschäft schon eine gewisse Bedeutung gewonnen hat. Aber auch, weil die Apple-Watch nicht ganz der Marktheuler zu werden scheint, den sich die Apfel-Jünger erwartet haben. Verkaufssignal ist aber auch weit und breit keines zu sehen.

Sonsten gilt weiter die Parole: „Abwarten und Tee trinken.“ Eine entscheidende Aufwärtswende ist auf dem Markt noch nicht zu sehen, damit sind auch Neuengagements zu riskant.

Für die, die es trotzdem versuchen wollen, ein paar externe Analystentipps: Warburg Research hat das Ziel für SMA Solar (ISIN DE000A0DJ6J9) auf 27 Euro hochgestuft und zum Kauf empfohlen. Nach einer Prognoseanhebung hat das Papier am Freitag allerdings einen Riesensprung gemacht – und hat sein Potenzial damit schon auf zehn Prozent verringert.

Die Credit Suisse findet den Apple-Zulieferer Dialog Semiconductor (ISIN GB0059822006) spannend, zumal sich dieser zunehmend breit aufstellt und beispielsweise auch schon Lenovo zu seinen Kunden zählt. Zum Kursziel von 55 Euro sind es allerdings auch nur rund zehn Prozent.

Mehrere Kaufempfehlungen hat in den vergangenen Tagen auch der TecDAX-Wert United Internet (ISIN DE0005089031) bekommen, der nach der Ankündigung eines Zukaufs am Freitag durch die Decke gegangen ist.

josef.urschitz@diepresse.com

diepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2015)

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