"El Chapo" geht in seiner Zell hin und her und verschwindet schließlich in der Dusche. Der Gefängnisdirektor wurde mittlerweile entlassen.
Drei Mal läuft er in seiner Zelle auf und ab, dann hockt er sich in der Dusche hin und verschwindet: Ein Video, das die mexikanische Regierung am Dienstagabend (Ortszeit) veröffentlichte, zeigt die Minuten vor der spektakulären Flucht des Drogenbosses Joaquin Guzman alias "El Chapo". Die Aufnahmen stammen von Überwachungskameras in Guzmans Zelle.
Außerdem veröffentlichten die Behörden ein Video von dem 1,5 Kilometer langen Tunnel, durch den der Drogenboss am Samstagabend aus dem Hochsicherheitsgefängnis Altiplano westlich von Mexiko-Stadt entkam. Dass Gefangene in ihrer Zelle auf und ablaufen, sei nichts Ungewöhnliches, sagte der nationale Sicherheitsbeauftragte Monte Alejandro Rubido am Dienstag. "Es ist ein natürliches Verhalten für Gefangene, die sich lange Zeit in einem engem Raum aufhalten."
Und plötzlich war "El Chapo" Weg
Eine auf die Dusche gerichtete Überwachungskamera filmt, wie der 58-jährige Guzman in Gefängniskleidung zwischen seinem Bett und dem Sanitärbereich hin- und hermarschiert. Zunächst uriniert er offenbar und geht danach zu seinem Bett. Er geht dann zur Dusche, die sich hinter einer Mauer neben der Toilette befindet und wieder zurück zu seinem Bett. Dann geht er erneut zur Dusche und hockt sich dort ein erstes Mal hin. Anschließend setzt sich Guzman aufs Bett und wechselt seine Schuhe, bevor er ein letztes Mal zur Dusche geht. Der kleingewachsene Häftling, dessen Spitzname "Der Kurze" bedeutet, hockt sich hin - und verschwindet.
Der Duschboden, in dem sich der Tunneleingang befindet, ist wegen der Mauer nicht in der Aufnahme zu sehen. Auch ist nicht zu sehen, wie sich Guzman seiner elektronischen Fußfessel entledigt. Obwohl zwei Kameras rund um die Uhr im Einsatz sind, decken die Aufnahmen nicht die gesamte Zelle ab. Nach Angaben der Behörden gibt es aus Gründen der Privatsphäre zwei "tote Winkel" ohne Kameraüberwachung.
Tunnel beleuchtet
Zuletzt wurde Guzman laut Rubido am Samstagabend um 20.52 Uhr Ortszeit gesehen. Wie lange es dauerte, bis die Gefängniswärter Alarm schlugen, sagte der Sicherheitsbeauftragte nicht. Der Tunnel, durch den der Drogenboss floh, ist in einem weiteren Video zu sehen, das die mexikanische Regierung veröffentlichte. In dem mithilfe eines Generators beleuchteten Tunnel befindet sich ein Motorrad auf einem speziellen Schienensystem. Am Ende steht eine Leiter, die in einen von Feldern umgebenen Rohbau führt. So gelang Guzman zum zweiten Mal in 14 Jahren die Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis.
Wie schon beim ersten Mal inspirierte "El Chapos" neuerlicher Ausbruch Musiker zu neuen Drogenballaden, den umstrittenen "Narco-Corridos". Sänger wie Daniel Reyes, Lupillo Rivera und Ariel Nuno besangen in Musikvideos im Internet die abenteuerliche Flucht, gingen aber auch auf den Verdacht ein, dass Guzman korrupte Helfer im Strafvollzug gehabt haben muss.
Direktor entlassen
Hunderte Sicherheitskräfte suchen nach dem Anführer des berüchtigten Sinaloa-Drogenkartells. Die Behörden setzten für seine Ergreifung eine Belohnung von umgerechnet 3,5 Millionen Euro aus. Sie gehen davon aus, dass "El Chapo" Hilfe von Gefängnismitarbeitern hatte. 22 verdächtige Mitarbeiter wurden am Dienstag in Gewahrsam genommen. Ob unter ihnen auch der am Montag entlassene Gefängnisdirektor ist, war zunächst unklar. Die Justiz muss binnen vier Tagen entscheiden, ob gegen die Verdächtigen Anklage erhoben wird oder ob sie freikommen.
(APA/AFP)