Angst im Kino

Kann man Angst im Kino dadurch besiegen, indem man jemand noch Ängstlicheren an seine Seite setzt? Definitiv.

Horrorfilme sind wie Chilischoten. Sie tun ein bisschen weh, man fragt sich, warum man sich das antut – um dann am Ende im Nachlassen des Schmerzes einen Lustgewinn zu erfahren. Nun wissen erfahrene Scharfesser, dass der durch Capsaicin hervorgerufene Schmerz durch Milch wieder von der Zunge vertrieben werden kann. Doch wie mildert man die kurzen Momente des Schreckens im Kino, wenn einer der typischen amerikanischen Schocker – junge Frau, böse Träume, Dämon springt aus dem Spiegel, kreisch – ansteht?

Die Erfahrung lehrt, dass Knabbergebäck das Zusammenzucken nicht verhindert, lediglich die Möglichkeit einer Ausweichhandlung bietet – im schlimmsten Fall zuckt das Popcorn mit und landet am Boden. Auch Getränke helfen nur wenig, noch dazu birgt der Biss in den Plastikbecher die Gefahr eines Wasserschadens.

Bleibt die Option, einen möglichst ängstlichen Menschen zu einem Kinobesuch einzuladen – und ihm vorsorglich möglichst wenig über den Film zu erzählen. Versuchsobjekt: eine an sich sehr quirlige, beim Thema Horror jedoch äußerst schreckhafte Freundin. Die dann auch schon beim Vorspann immer tiefer in den Sitz versinkt, nach wenigen Minuten die Jacke über den Kopf zieht und nur mit einem halb geschlossenen Auge durch den verbleibenden Spalt lugt – ständig „Ich hasse dich“ murmelnd. Wie Milch auf einer mit Chili belegten Zunge wirkt sie jetzt für mich. Kein Zusammenzucken, nur mehr Lachen beim Anblick des kleinen kauernden Hobbits auf dem Nebensitz.

Versuch gelungen, kein einziges Mal erschrocken, den ganzen Film über nur grinsend neben einem Häufchen Elend gesessen. Bin gespannt, ob sie noch einmal mit mir ins Kino geht.

E-Mail: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2009)

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