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Musiker mit Nebenjob: Und gib uns unser täglich Brot

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Alles-gratis-Mentalität, Sozialversicherung, Radiomisere: Verschiedenste Gründe zwingen auch erfolgreiche Musiker dazu, Nebenjobs anzunehmen.

Seit sich in der Musik vor allem bei der jungen Generation eine Alles-gratis-Mentalität entwickelt hat, stagnieren die Tonträgerverkäufe nicht nur, sie gehen sogar zurück. Die Gier bei Gratisdownload und illegalem Kopieren hat vielfach zu einer umfassenden Wurschtigkeit geführt. Musikhören ist nicht mehr jenes soziale Erlebnis, wie es in den Siebzigerjahren praktiziert wurde. Damals setzten sich Freunde bei einem Gläschen zusammen, hörten sich die neuen Alben an und diskutierten diese dann leidenschaftlich. Heute dominiert einsames Hören. Mit iPod-Kopfhörern im Schädel hetzen die Hörer durch urbanes Gewühl, suchen nichts als schnellen Eskapismus via Musik. Die Klänge sollen sedieren oder aufpeitschen, aber nur ja nicht zum Nachdenken oder Nachsinnen anregen.

Dass vielen Menschen der Gusto nur noch nach Klangtapete steht, hat das Sozialprestige des Künstlerdaseins spürbar verringert. Musik, so scheint die allgemeine Übereinkunft, soll möglichst nicht anrühren, sondern dezent im Hintergrund plätschern. Zu diesem erblassten Interesse kommt nun noch die Wirtschaftskrise. Seit Dezember werden Firmenfestveranstaltungen rigide gekürzt. Was für die Unternehmen nicht viel mehr als Sparkosmetik ist, bedeutet für Musiker nicht selten drastische Einkommenseinbußen.

Betrachtet man Österreichs blühende Popszene, dann wird schnell klar: Unter diesen Rahmenbedingungen und bei gleichzeitig so vielen exzellenten Bands kann sich kaum einer wirtschaftlich am Leben erhalten, ohne entsprechendes Zubrot zu verdienen. Vorzugsweise machen Musiker Jobs, die eine gewisse Nähe zum kreativen Genre haben. Stephan Stanzel, Kopf der düster-melodiösen Band A Life A Song A Cigarette, bastelt in Computerwelten, Clara Humpel, die eben ihr superbes drittes Clara-Luzia-Album „The Ground Below“ eingespielt hat, studiert die internationalen Nachrichten bei der APA und portioniert dann appetitlich, was für heimische Medienarbeiter relevant sein könnte. Bei solchen geringfügigen Beschäftigungen geht es oft mehr um die Sozialversicherung als um die Entlohnung selbst.

Versicherungsrückzahlungen. Susanna Ridler, die elektronische Musik unter dem Nom de guerre „Koer“ fertigt, gehört zum Gros derer, die schon schlechte Erfahrungen mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz gemacht haben. „Vor einigen Jahren war ich unter jenen, die nach der Einführung des KSV-Gesetzes die Förderung zurückzahlen musste, weil ich infolge einer Krankheit unter der Einnahmensgrenze lag. Wenn Künstler als „Neue Selbstständige“ eingestuft sind, dann gibt es im Falle einer Krankheit ebenfalls null Absicherung. Künstler müssen ständig darauf achten, dass sie nicht unter und nicht über bestimmte Einkommensgrenzen kommen. Das hat die absurde Folge, dass man dann gewisse Engagements nicht annimmt, um nicht in Rückzahlungstrubel zu kommen. In Deutschland ist das viel besser gelöst.“

Zustände, denen Singer/Songwriter Ernst Molden und Wienerlied-Genius Clemens Lendl (Die Strottern) mit traditioneller chinesischer Alterssicherung begegnen. Molden hat drei Kinder, bei Lendl ist sogar ein viertes unterwegs. Nach außen wirkt Lendl relaxt, aber in ihm brodelt es: „Gerade wenn man Familie hat, steigt der Druck durch das unregelmäßige und unsichere Einkommen gewaltig an.“ Trotz steigender Beliebtheit seiner Musik muss er zum Überleben Brotjobs annehmen. Er arbeitet als Redakteur und Texter für Unternehmen. Zudem verfasst er kurioserweise für das kleine Vorarlberger Dorf Gargellen regelmäßig ein Gästeinformationsblatt. Ernst Molden, der ja auch als Romancier tätig war, verdient sich als Schreiber für österreichische Medien etwas dazu, während er davon träumt, „vom zeitraubenden Zettelwerk und überhaupt von den Versicherungszahlungen freigestellt zu sein“. Andere wie Susanna Ridler mussten im Laufe der Jahre schon bizarren Tätigkeiten nachgehen: „In der Schweiz als Saisonkellnerin im Dirndl zu arbeiten war ein ziemlicher Alptraum für mich. An meine persönlichen Grenzen brachte mich auch ein Job, bei dem ich als Vegetarierin Spareribs zu servieren hatte.“ Ihr derzeitiger Nebenjob als Sprecherin für TV- und Hörfunkwerbung ist dagegen fast so etwas wie ein Vergnügen.


Radio als Lebensader. Könnte denn eine Quotenregelung, die mehr österreichische Musik ins Radio bringt, die größten Probleme lösen? Clara Humpel ist strikt dafür: „Österreich ist so ein kleines Land, das macht es zusätzlich schwer zu überleben. Radio könnte die Hauptschlagader im MusikerInnenleben sein. Und von allgemeinem kulturellen Nutzen wäre es zudem.“ Clemens Lendl braucht auch nicht lange zu überlegen: „Ja! Ja! Ja! Mit Ausnahme von Ö1 spielt der ORF eine ganz traurige Rolle. Auch die Printmedien, vor allem auf regionaler Ebene, könnten viel mehr leisten.“ Ridler wäre auch für die Quote, bekrittelt vor allem das Formatdenken der Radios: „Dass sich sogar FM4 an Quoten orientiert und CDs als ,zu anspruchsvoll' ablehnt, finde ich schockierend.“ Nur Ernst Molden gibt sich diesbezüglich eher skeptisch: „Ich finde es grundsätzlich schwierig, Medien etwas vorschreiben zu wollen. Aber da wir einen Staatsfunk haben, fände ich es wichtig, dass die Formatschädeln, die seit den Zeiten des Herrn Roscic verängstigt sind, gezwungen werden, sich die prosperierende heimische Musikwelt anzuschauen.“

Die Veränderung der Hörgewohnheiten aufgrund der digitalen Revolution hat die Aufmerksamkeitsspannen verkürzt und das zerstreute Hören verstärkt. Der Trend geht weg vom Album, hin zu einzelnen Tracks. Molden sieht das entspannt: „Meine Jugend hat aus dem Aufnehmen hunderter Kassetten bestanden und die Musik hat's überlebt. Das Album wird aber im Existenzkampf immer mehr zu einem Schild, auf dem ,Suche (Live-)Arbeit' steht.“ Susanna Ridler macht ebenfalls eine markante Entwertung von Musik aus: „Erschreckend, dass bei vielen der iPod und das Handy so etwas wie ein Fetisch ist, bei dem die Inhalte nur mehr wenig zählen. Da wird oft total zerstreut gehört. Beim Buch ist es noch nicht so weit, dass man einzelne Seiten herausreißt und liest. Bei der Musik leider schon.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2009)

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