Sonntagsspaziergang. Verkehrsministerin Doris Bures läuft in aller Herrgottsfrüh durch die Praterauen, um ihre Gedanken freizubekommen. Als Politikerin liebt sie den pragmatischen Ansatz mit Durchschlagskraft.
Für Doris Bures ist Laufen kein Termin. Er wird auch nicht als solcher eingetragen. Um die Uhrzeit, um die die Infrastrukturministerin im unteren Prater unterwegs ist, ist das auch nicht notwendig. Wenn sie gegen 6 Uhr oder 6.30 Uhr sonntags und, so es sich ausgeht, auch ein-, zweimal wochentags in die Aulandschaft aufbricht, teilt sie die Natur mit keinem anderen. Ihr (und auch vielen anderen) bekannte Politikerläufer hat sie jedenfalls noch nie getroffen – keinen HC Strache, keinen Josef Cap und auch keinen Alfred Gusenbauer. Die kommen allem Anschein nach viel später. Was Bures nichts ausmacht, im Gegenteil. „Beim Laufen habe ich gern meine Ruhe, um die Gedanken freizubekommen.“ Deshalb zieht sie es zur Zeit auch eindeutig dem Tennis und dem Reiten vor. „Dafür braucht man erst recht wieder einen Termin.“ Die lange Jahre gepflegten Sportarten sind daher zum Großteil in die Ferienzeiten verbannt.
Immer zeitig unterwegs. Auch am heutigen Muttertag steht Bures früh auf. „Ich war schon als Kind immer zeitig unterwegs“, erzählt die 46-Jährige. „Ich mag das spezielle Lichtspiel am Morgen.“ Zu Mittag trifft Bures dann ihre 22-jährige Tochter, die sie – ganz traditionell – zum Essen ausführt. Dabei eignet sich die frühere Frauenministerin, die im Jänner ins Verkehrsressort gewechselt ist und dazwischen der SPÖ – wieder einmal – einen Wahlkampf organisiert hat, so ganz und gar nicht für klassische Rollen.
Was im Übrigen schon die eine oder andere Parteifreundin irritiert hat. Als Alfred Gusenbauer sie ins Frauenministerium setzte, hörte man den Einwand, dass Bures doch gar nicht aus der Frauenbewegung komme. Als ihr Werner Faymann die Infrastruktur des Landes übergab, trauten ihr das wieder viele nicht zu. Und es war auch so, als sie im Jahr 2000 eine tief verschuldete SPÖ als Bundesgeschäftsführerin übernahm, die eben erst den Kanzler verloren hatte und in die ungeliebte Oppositionsrolle gerutscht war. Nur 2006 muckte keiner auf. Als Bures aus Parteiräson das Ministeramt sausen ließ und noch einmal die Bundesgeschäftsstelle übernahm, war ihr das ausnahmsweise keiner neidig. Wohl auch deshalb, weil keiner mit ihr tauschen wollte und schon alles verloren schien.
Bures ist durchaus bewusst, dass sie immer nur „hier“ schreit, wenn das wenige tun. Aber müssen es immer Sanierungsfälle sein? Die SPÖ in schwierigen Zeiten, die Beamten (in Kombination mit dem Frauenressort) und jetzt die Bundesbahnen? „Mir macht das nichts. Ich hatte schon immer einen anderen Zugang zu politischer Verantwortung“, glaubt Bures. „Egal welche Aufgabe ich übertragen bekomme, ich schau dazu, dass ich etwas weiterbringe.“ Und jetzt gehört dazu eben „alles, was sich bewegt, inklusive meiner eigenen Person im Prater“, scherzt die Verkehrsministerin.
Kein AUA-Schicksal für die ÖBB. Mit dieser pragmatischen Einstellung geht Bures auch an die Sanierung der ÖBB, die derzeit mit einem Rekorddefizit und einem anhaltend schlechten Image kämpfen. Die Ministerin findet das ungerecht. „Die ÖBB sind von der Krise genauso betroffen wie andere“, sagt sie. Man dürfe sie nicht krankjammern, müsse aber auch schonungslos aufzeigen, wo die Probleme liegen. Und die sieht Bures zum einen in den Fehlern des letzten Managements samt daraus resultierenden Bilanzproblemen und in den unflexiblen Strukturen, die Schwarz-Blau hinterlassen hat. „Wenn ich nur, um mit einem Zug aus dem Westbahnhof hinausfahren zu können, vier Gesellschaften beschäftigen muss, dann muss sich da etwas ändern.“
Bures, die „ihre“ 42.000 Bahnmitarbeiter nicht gern als Subventionsempfänger verunglimpfen lässt, hat so ihre eigenen Bahnvisionen. Sie träumt von einer Zugverbindung Wien–Linz in einer Stunde und Wien–Klagenfurt in zwei Stunden. Um das zu schaffen, muss erst kräftig gebuddelt werden. Die Megatunnelprojekte, die seit Jahren an- und ausstehen, sind ohnehin jedem bekannt. Bures will nun nicht noch einmal über Sinn und Unsinn des Semmering-, des Koralm- oder des Brennertunnels reden. „Wenn wir zu solchen Großprojekten jedes halbe Jahr etwas anderes sagen, dann wird das nur teurer.“ Und es nutzt der Konkurrenz. Das will Bures um alles in der Welt verhindern, denn: „Die ÖBB dürfen kein AUA-Schicksal erleiden. Sie gehören zur österreichischen Identität, das darf man nicht wegschmeißen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2009)