Gabriels Teheran-Trip als Türöffner

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Als erster westlicher Spitzenpolitiker seit dem Atomdeal reiste der deutsche Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel, in den Iran – und ließ interne SPD-Kontroversen hinter sich.

Berlin/Teheran. Nur weg aus Berlin: So lautet momentan das Motto des SPD-Chefs, Sigmar Gabriel. Der Wirtschaftsminister konzentriert sich derzeit ganz auf seine Rolle als Türöffner für die deutsche Wirtschaft. Mehrere Tage hatte der Vizekanzler zuletzt China bereist, den großen Hoffnungsmarkt in Asien, den die deutsche Wirtschaft seit der Öffnung in den 1980er-Jahren intensiv beackert.

Und noch ein anderer Hoffnungsmarkt könnte sich für deutsche Exportwirtschaft nun aktuell auftun: Die großen Konzerne des Landes warten auf den Sprung in den Iran. Seit dem Atomdeal mit der Islamischen Republik, lange Zeit ein traditioneller Handelspartner Deutschlands im Mittleren Osten, bieten sich plötzlich große Perspektiven. Gabriel ist der erste westliche Spitzenpolitiker, der mit seiner Reise zu den Mullahs den Fuß in die Tür setzt.

Der deutsche Wirtschaftsminister eröffnet den Run auf Teheran. Kurz nach der Einigung im Atomstreit am Dienstag kündigte er bereits einen offensichtlich von langer Hand vorbereiteten Besuch in Teheran und Isfahan an. Frankreichs Außenminister, Laurent Fabius, hat ebenfalls einen Trip nach Teheran avisiert, Großbritannien erwägt demnächst die Wiedereröffnung der Botschaft. Und für den Frühherbst hat sich auch ein Duo aus Österreich angesagt: Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Sebastian Kurz. Fischers Vorgänger, Thomas Klestil, hat den Iran in seiner Amtsperiode gleich zwei Mal besucht.

In der SPD rumort es

Gabriel hat indessen guten Grund, der Heimat fernzubleiben. Im Zuge der Griechenland-Krise hat der SPD-Chef mit seinem Zickzackkurs Unmut ausgelöst und die eigenen Reihen verstört. Zunächst gab er sich als Hardliner, der die Regierung in Athen bezichtigte, alle Brücken abgebrochen zu haben. Mit ein paar Seitenhieben gegen Finanzminister Wolfgang Schäuble, dem „Bösewicht“ der Linken, versuchte sich der SPD-Chef aus der Affäre zu ziehen.

Die Basis ist nicht gut auf ihren Parteichef zu sprechen, in den Landesverbänden rumort es – und in den Umfragen kommen die Sozialdemokraten trotz mancher Stichelei Gabriels gegen die Kanzlerin in der NSA-Affäre auch nicht recht vom Fleck. Vor seinem Abflug nach Teheran am Sonntag ließ der SPD-Chef die parteiinternen Diskussionen hinter sich und hofft darauf, dass sich bis zum Ende der Sommerpause die Gemüter seiner Kritiker wieder abgekühlt haben. Eine sozialdemokratische Palastrevolte zeichnet sich ohnehin nicht ab – auch, weil sich gegen Gabriel kein Gegenspieler in Stellung bringt.

Im ZDF-„Sommerinterview“ ließ Gabriel die obligate Frage nach einer Kanzlerkandidatur, stets ein beliebtes Sommerthema, dann auch unbeantwortet. Es sei ja noch nicht einmal die Hälfte der Legislaturperiode verstrichen, argumentierte der Vizekanzler. In Berlin waren bisher alle davon ausgegangen, dass Gabriel bei den Bundestagswahlen in zwei Jahren als Spitzenkandidat antreten würde. Einer rot-rot-grünen Koalition erteilte der SPD-Chef mit Hinweis auf die Radikalisierung der Linkspartei eine deutliche Absage. Die Koalitionsdebatte hat er damit einstweilen wohl vom Tisch gefegt.

Erster Besuch seit fast 15 Jahren

Doch das politische Terrain in Teheran ist nicht minder heikel als das in Berlin. Seit fast 15 Jahren, seit dem damaligen SPD-Finanzminister, Hans Eichel, hat kein deutscher Minister mehr den Iran besucht. Auch die Außenminister Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier unternahmen wegen des mehr als zwölfjährigen Atomkonflikts keine Reise in den schiitischen Gottesstaat.

Gabriel will als Vorreiter der Europäischen Union bei seinem dreitägigen Besuch nun die Chancen für eine wirtschaftliche Kooperation ausloten – für den Fall der für den Beginn des kommenden Jahres in Aussicht gestellten Aufhebung der Sanktionen. Für den heutigen Montag steht ein Treffen mit dem iranischen Präsidenten, Hassan Rohani, auf dem Programm. Im Vorfeld konstatierte Gabriel: Das Atomabkommen habe die Basis für die Normalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen geschaffen.

Der deutsche Handel rechnet mit der Verdoppelung des Handelsvolumens mit Teheran innerhalb von zwei Jahren. Bis zur Verhängung der Sanktionen war Deutschland Irans Handelspartner Nummer eins. (vier)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2015)

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