Eine Richterin des Oberlandesgerichts (OLG) Graz zählt zu den Opfern des Amokfahrers. Weil dieses Gericht daher befangen sein könnte, übernimmt nun das OLG Wien.
Wien. Für Alen R. (26), den Amokfahrer von Graz, ist nun auch ein Wiener Gericht zuständig. Nämlich das Oberlandesgericht (OLG) Wien. Es tritt ab sofort an die Stelle des OLG Graz.
Bei der Amokfahrt am 20. Juni in Graz wurden drei Menschen getötet und 36 zum Teil schwer oder schwerst verletzt. Unter den schwer Verletzten befindet sich eine auf Arbeitsrecht spezialisierte Richterin des OLG Graz. Um den Anschein von Befangenheit zu vermeiden, hat der Präsident des Obersten Gerichtshofes (OGH), Eckart Ratz, dem OLG Graz die Entscheidungsgewalt über Rechtsmittel des Amokfahrers abgenommen und nach Wien verlagert.
Zur Erklärung: Wenn Alen R. etwa Beschwerden gegen die Verlängerung seiner U-Haft einbringt oder wenn er Einsprüche gegen Entscheidungen des Haft- und Rechtsschutzrichters erhebt (Beispiel: Haftrichter entscheidet auf Durchführung einer Hausdurchsuchung), dann ist nunmehr das OLG Wien am Zug. Der zu erwartende Prozess – Alen R. droht eine Mordanklage – dürfte aber in Graz stattfinden. Danach könnte das Problem aber wieder virulent werden.
Folgende Szenarien sind denkbar: Im Falle einer Verurteilung durch ein Landesgericht könnte R. Rechtsmittel, also Nichtigkeitsbeschwerde und/oder Berufung, einbringen. Mit einer Berufung könnte er sich an ein OLG (2. Instanz) wenden. Oder aber: Der OGH prüft (im Falle einer Verurteilung) eine etwaige Nichtigkeitsbeschwerde des Amokfahrers und weist im Zuge dessen eine möglicherweise ebenfalls vorliegende Berufung einem OLG zu. In beiden Varianten würde wohl wieder das OLG Wien – und nicht jenes in Graz – zum Zug kommen. Somit ist es wohl nicht nötig, den Prozess von vorn herein im Straflandesgericht Wien abzuhandeln. Ausgeschlossen ist es aber auch nicht. Eventuell bringt eine Partei einen Antrag auf „Delegierung“ nach Wien ein. Darüber müsste dann entschieden werden.
Indessen bekommen die ersten Opfer Schadenersatzzahlungen überwiesen. Und zwar von der Wiener Städtischen, der Kfz-Versicherung, bei der das Auto, mit dem der Amokfahrer fuhr, haftpflichtversichert ist. Das Fahrzeug war und ist auf den Vater des 26-Jährigen angemeldet.
Versicherung zahlt Millionen
Bisher haben sich 25 Geschädigte bei der Versicherung gemeldet. Es handle sich um „leicht Geschädigte“ erklärt der Sprecher der Versicherung, Christian Kreuzer, der „Presse“. Die Hälfte dieser Gruppe habe bereits Zahlungen erhalten. Insgesamt rechnet die Wiener Städtische mit 35 bis 40 unmittelbar geschädigten Opfern. Die Versicherung plant die Auszahlung von sieben Millionen Euro, wobei etwa 5,8 Millionen an Verletzte bzw. an Angehörige von Opfern fließen sollen, die restlichen 1,2 Millionen sollen Sachschäden abdecken.