Finanzminister Schelling will einen "Automatismus" zur Vermeidung von inflationsbedingten, schleichenden Steuererhöhungen. Die SPÖ zeigt sich offen für Gespräche.
Erst vor zwei Wochen ist die Steuerreform 2016 im Nationalrat beschlossen worden, nun startet die ÖVP einen neuen Vorstoß. Sie will mit der SPÖ über die Abschaffung der "kalten Progression" verhandeln. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) schlägt einen "Automatismus" zur Vermeidung von inflationsbedingten, schleichenden Steuererhöhungen vor. Mindestens 400 Millionen Euro im Jahr würde das kosten, sagte er am Montag.
Bis Jahresende soll ein Modell fixiert werden, derzeit würden verschiedene Varianten durchgerechnet. Der Minister hofft auf eine Einigung mit dem Koalitionspartner und einen Beschluss im Jahr 2016 und eine Wirksamkeit der Regelung ab 2017. Durch den zu erarbeitenden Mechanismus würden die Entlastungen der aktuellen Steuerreform "dauerhaft" in Höhe von 5,2 Mrd. Euro pro Jahr erhalten bleiben, so Schelling. Der Automatismus sei nicht im Rahmen der Steuerreform beschlossen worden, weil man eine etwas längere Vorbereitungszeit benötige.
Die "kalte Progression" beschreibt jenen Effekt, die für eine schleichende jährliche Steuererhöhung (ohne gesetzliche Erhöhung der Tarifstufen) verantwortlich ist. Der Grund dafür: Die Löhne steigen, die für die Lohnsteuer maßgeblichen Einkommensgrenzen aber bleiben gleich. Damit rücken von Jahr zu Jahr immer mehr Arbeitnehmer in höhere Steuerklassen vor - bzw. wird auch innerhalb der Tarifstufen mehr Steuer fällig. Ein Teil der Lohnsteigerungen wird somit vom Finanzamt abgeschöpft.
Vorbild Deutschland?
In Deutschland hat der dortige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits Anfang Mai angekündigt, angesichts der zusätzlich erwarteten Steuereinnahmen in den kommenden Jahren Maßnahmen gegen die "kalte Progression" setzen zu wollen. Schäuble plant zudem einen Mechanismus, mit dem die Anpassungen dauerhaft gesichert werden sollen. Schelling will sich die geplanten Maßnahmen in Deutschland genau ansehen.
Schelling und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner legten am Montag ein dreiseitiges Reformpapier "Wir bewegen Österreich, Teil 1 - Impuls für Wirtschaft & Arbeit" vor. Mitterlehner ortet "sehr angespannte und schwierige Stimmung" bei den heimischen Betrieben und eine "relativ defensive Stimmung" bei den Konsumenten. Mit der Steuerreform beginnend, müsse es nun Impulse geben, um die Wirtschaft wieder nach vorne zu bringen und Kontinuität zu vermitteln.
Mitterlehner will daher auch die Lohnnebenkosten durch eine Verringerung des Beitragssatzes für den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) senken. Der FLAF werde heuer positiv bilanzieren, daher sei 2018 eine Senkung von 4,5 auf 4,1 Prozent der Bruttolohnsumme möglich, so Mitterlehner. Bis 2020 sollte der Satz auf 3,5 Prozent reduziert werden. Diese Senkung würde die heimischen Betriebe um über eine Milliarde Euro pro Jahr entlasten.
SPÖ offen für Gespräche
Die SPÖ zeigt sich offen, über die Abschaffung der "kalten Progression" zu verhandeln. Darüber hinaus verwies man im Kanzleramt auf das ÖGB/AK-Steuerkonzept, das durch einen Parteitagsbeschluss ja zur SPÖ-Position wurde. Darin heißt es unter anderem, die Folgen der kalten Progression "müssen deutlich eingedämmt werden, wenn die Teuerung seit der letzten Anpassung fünf Prozent erreicht hat". Wie genau die Anpassung erfolgt, müsse politische Entscheidung bleiben. Für den Fall, dass keine politische Einigung erfolgt, müsse automatisch eine vorher gesetzlich festgesetzte Lösung in Kraft treten, heißt es weiter.
(APA)