Griechenland: Wenn Nobelpreisträger irren

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Der US-Ökonom Paul Krugman war „der“ Fürsprecher der Regierung in Athen. Nun wendet er sich von ihr ab.

Sie sind das Ass im Ärmel aller Gegner der „Merkel'schen“ Austeritätspolitik, laut der strukturelle Reformen und eine Konsolidierung des Staatshaushaltes die Voraussetzung für eine nachhaltige Gesundung der griechischen Wirtschaft sind: die US-Ökonomen Joseph Stiglitz und Paul Krugman. Beide kritisieren seit Monaten wortgewaltig und öffentlichkeitswirksam die von den Geldgebern geforderten Gegenleistungen Griechenlands und unterstützen die linkspopulistische Syriza-Regierung von Alexis Tsipras. Doch es sind weniger ihre Argumente, die sie in der Diskussion für die Freunde der aktuellen Athener Politik so wertvoll machen. Sondern: Sie sind Nobelpreisträger!

In der Wahrnehmung vieler Menschen können die beiden Ökonomen in diesem Streit zwischen Austerität und Keynesianismus nur recht haben. Schließlich wurden sie ja einst mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten Alfred-Nobel-Gedächtnispreis ausgezeichnet. Und ihre meist aus Deutschland stammenden Gegenüber eben nicht. Dass dies für Arbeiten zu ganz anderen wirtschaftlichen Thematiken erfolgte, die noch dazu auch schon Jahrzehnte zurückliegen, tut dabei nichts zur Sache.

Doch nun versetzte just Paul Krugman der griechischen Linken einen Schlag. „Ich habe die Kompetenz der griechischen Regierung vielleicht überschätzt“, so der Ökonom und viel beachtete „New York Times“-Blogger in einem Interview mit CNN. Konkreter Grund für die Enttäuschung Krugmans ist, dass Tsipras ein Referendum über die Sparpolitik abgehalten hat und trotzdem in die Verhandlungen gegangen ist, ohne einen Plan B zu haben. Anders gesagt: Es hat ihm Härte gefehlt, letztlich auch einen Grexit durchzuziehen.

Und mit diesem kräftig danebengegangenen Bluff hat Tsipras nicht nur viele seiner ehemaligen Unterstützer im Heimatland verloren, die meinten, man könne doch weiter Geld der deutschen, niederländischen und österreichischen Steuerzahler haben, ohne dass es dafür Bedingungen gibt. Sondern eben auch Paul Krugman.

Krugman hätte sich diese plötzliche Enttäuschung wahrscheinlich ersparen können, hätte er sich das Parteiprogramm von Syriza mal näher angesehen. Denn angesichts von Forderungen wie der Verstaatlichung des gesamten Finanzsektors, einer Landreform, bei der große landwirtschaftliche Gründe einfach „neu verteilt“ werden, oder der Einführung von Preiskontrollen, sollte auch Keynesianern klar sein, dass es mit der „Kompetenz“ der Regierung Syriza für eine marktwirtschaftlich organisierte Volkswirtschaft nicht weit her ist.

In den sozialen Medien erntete Krugman für seine Erklärung bereits Spott und Hohn. Kein Wunder, sorgte er mit seinen wilden Attacken gegen Deutschland ja schließlich dafür, dass seine Gegnerschaft zuletzt wieder deutlich gewachsen ist.

Dabei kann man Krugman ökonomische Kompetenz ja nicht absprechen. So hat er auch mit seiner Kritik recht, dass Austerität einer Volkswirtschaft vorübergehend negative Wachstumseffekte bringt. Das wird aber auch von gar niemandem bestritten. Die Frage ist allerdings, was die langfristige Alternative ist?

Hier setzen Krugman, Stiglitz und Co. auf das Allheilmittel der dauerlaufenden Druckerpressen. Und irren wohl noch mehr als bei der Einschätzung der Kompetenz von Syriza.

Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2015)

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