Wohnen: Grüne Fassaden gegen die Hitze

Grüne Fassade auf der Zentrale der MA 48
Grüne Fassade auf der Zentrale der MA 48(c) Vera Enzi / Verband für Bauwerksbegrünung Österreich
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Es wird heißer, in einigen Jahrzehnten soll das Wetter in Wien wie in Athen sein. Stadtplanung und Architektur müssen sich diesen klimatischen Veränderungen anpassen.

Wien. In Le Albere in Trient hatte es am Wochenende knapp 38 Grad. Allein, so stickig und heiß wie in Wien war es dort nicht. Grund dafür ist die Architektur im neuen Teil der italienischen Stadt: Allerorts gibt es schattige Plätze – ein erfrischender Bach schlängelt sich durch den Ortsteil. Die Häuser sind mit viel Holz gebaut, und die begrünten Fassaden kühlen auf natürliche Weise die Innenräume. Die vielen Sonnenstunden werden dazu optimal genutzt: Auf den Dächern befinden sich Fotovoltaikanlagen – der Energiebedarf in Le Albere ist um zwei Drittel niedriger als in anderen Tridentiner Haushalten.

Was Trient vormacht, da will auch Wien hin: „In einigen Jahrzehnten werden die Sommer wie in Athen sein, es wird heißer, und wir müssen uns auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellen“, sagt Arne Arnberger, Forscher an der Universität für Bodenkultur. „Wir müssen unser Verhalten ändern, aber auch unsere Bauweise.“ Vor allem für alte Menschen, chronisch Kranke und Kleinkinder seien hohe Temperaturen belastend. Es sei wichtig, dass sie zumindest zu Hause Zuflucht vor der brütenden Hitze finden. Um trotz heißerer Sommer eine gute Lebensqualität zu haben, brauche es darum lang- und kurzfristige Maßnahmen: Einerseits entwickelt die MA22 (Umweltschutz) derzeit mit der Boku einen „Urban Heat Islands Strategieplan Wien“. Neue Stadtteile sollen künftig auch unter diesen Gesichtspunkten geplant werden. Die Studie soll im Herbst präsentiert werden. „Generell kann man aber sagen: Grünflächen müssen bewahrt werden, das Wasser muss zurück in die Stadt gebracht werden – heißt: Bäche wieder an die Oberfläche, und der Baumbestand muss erhöht werden“, sagt Arnberger. Derzeit hat Wien einen Grünanteil von rund 50Prozent – weil die Stadt aber wächst, kommt es zu einer ständigen Nachverdichtung – der Druck auf diese Flächen steigt.

Neben diesen großen Maßnahmen müssten sich auch die Gebäude selbst verändern. „Unsere Häuser sind zu wenig beschattet“, sagt Arnberger. Jalousien oder auch Fensterläden, die hierzulande noch wenig verbreitet sind, seien effektive Maßnahmen. Aber auch Sonnensegel und beschattete Arkaden würden Abkühlung bringen – das müsse künftig mehr in die Wohnbauarchitektur einfließen.

Eine gute Fassadendämmung sei für kühle Innenräume essenziell: Vor allem Häuser, die zwischen der Nachkriegszeit und den 70er-Jahren gebaut wurden, haben oft nur dünne Mauern und eine schlechte Isolierung. „So leicht wie die Hitze im Winter aus den Gebäuden weicht, so schnell kriecht sie im Sommer in die Zimmer“, sagt Arnberger. Begrünte Fassaden und Dächer seien in diesem Zusammenhang eine gute ökologische Ergänzung. Aufgrund der beschattenden Wirkung und der Verdunstung von Wasser wirken sie kühlend. Dazu sehen die lebendigen Fassaden auch gut aus: Blühende Beispiele sind etwa das Bürohaus der MA48 am Gürtel in Margareten oder das Boutique Hotel hinter der Stadthalle in Rudolfsheim-Fünfhaus.

Wie kühlend Grünraum wirkt, zeigt auch der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Land. Dieser kann zwischen der Inneren Stadt und den Randbezirken vier bis fünf Grad betragen, zeigen Aufzeichnungen der Zentralanstalt für Geodynamik. Das ist vor allem auf die Ver- und Überbauung von natürlichen Flächen zurückzuführen – der Beton reflektiert die Hitze. Wien schwitzt vorerst weiter: Schon am Mittwoch sollen die Temperaturen wieder auf 38 Grad klettern.

AUF EINEN BLICK

Strategien. In Wien wird es künftig im Sommer mehr Hitzetage geben. Um mit den veränderten klimatischen Bedingungen umzugehen, braucht es mehr Grün und Bäche in der Stadt. Auch die Architektur muss sich ändern: Fensterläden, schattige Arkadengänge und grüne Fassaden helfen gegen hohe Temperaturen.

Die Stadt Wien erarbeitet derzeit einen Hitze-Stadtentwicklungsplan.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2015)

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