Das Kreuz über der Burgruine: Gelungener „Don Carlo“ in Gars

(c) A. J. Hirsch
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Das Bühnenbild ist schlicht und wirkungsvoll, Intendant Johannes Wildner sorgt am Pult für eine expressive Wiedergabe von Verdis Partitur.

Auf das Wesentliche beschränkt und unplugged, also ohne technische Verstärkung, gibt man die vieraktige italienische Fassung von Verdis „Don Carlo“ in der Burgruine Gars. Ebenso schlicht wie wirkungsvoll verbindet Asim Dzinos Holzkonstruktion in Form eines gigantischen Kreuzes über mehrere Ebenen zwei Trakte der Burgruine.

Die Bühne stellt gleichzeitig die Quintessenz der Aussage des Stückes dar: Wie ein Schwert sticht das Kreuz als Symbol der geistlichen Macht in die Burg als Sinnbild für die weltliche. Die simple Kulisse und der spröde Charme der alten Gemäuer eröffnen den optimalen Raum für die Fantasie des Publikums, ganz so, wie Intendant und Dirigent Johannes Wildner es angekündigt hat. Ohne große Gesten leitet er das gefügige und facettenreich spielende Orchester „Klangvereinigung Wien“. Trotz widriger räumlicher Gegebenheiten – Bühne und Orchestertribüne stehen einander quasi gegenüber – gelingt es ihm fast immer, Sänger und Orchester in Harmonie zu bringen.

Als asketischer König Philipp II. überzeugt Paul Gay optisch wie stimmlich, insbesondere mit seiner großen Arie in gefühlvollem Zwiegespräch mit dem unaufdringlich präsenten Cello. Oscar Marins Don Carlo hadert anfangs nicht nur mit seiner unerfüllbaren Liebe zu Elisabetta, sondern auch mit der Intonation – wohl aufgrund der schwierigen akustischen Situation und der Distanz zum Orchester. Prophetisch liegt er bereits im ersten Akt exakt an jener Stelle, an der sein Großvater Karl V. (düster und geheimnisvoll: Krzysztof Borysiewicz) ihn zuletzt den Schergen der Inquisition entziehen wird.

Eine Prinzessin beherrscht die Szene

Weniger von den Geschehnissen um ihn herum beeinflusst scheint David Pershalls beherzter Marquis Posa, der in jugendlichem Ungestüm beinahe verfrüht dem König ins Wort zu fallen droht. Unerwartet präzis hingegen setzte ein stimmkräftiger Singvogel mehrmals als Echo des Chors ein und erinnert die Zuseher daran, dass sie sich unter freiem Himmel an einem Ort befinden, den die Natur fast wieder zurückerobert hat.

Nora Sourouzian, die bei ihren Koloraturen mit der Piccoloflöte im ersten Moment beinah aus dem letzten Loch zu pfeifen schien, überrascht als lebensbejahende Eboli bald mit wandelbarer Stimme: Scheinbar mühelos zeigt sie sowohl lyrische als auch dramatische Qualitäten und in jeder Lage charakteristisches Timbre. Sie dominiert das Geschehen wie spielerisch. Dagegen mimt Alexandra Reinprecht eine im strengen Hofzeremoniell gefangene kühle, fast versteinerte Elisabeth von Valois. Metallisch umhüllt – wie sie selbst von ihrem silbrig glänzendenUmhang – erklingt das ausdrucksstarke Vibrato ihres Soprans, in den dramatischen Passagen überzeugender als in den lyrischen, wenn mehr Sensibilität gefordert wäre.

Regisseur Thilo Reinhardt zeichnet die Charaktere feinfühlig, das Autodafé aber abstoßend und unnötig blutig. Die flandrischen Gesandten kriechen stöhnend und kettenrasselnd als Ketzer mit geschulterten mannshohen Kreuzen auf die Bühne und verbrennen dann hoch oben auf dem Wehrgang, in Rauch und flammend rotes Licht getaucht. Skurrilerweise wird die (wunderschön tönende) „Stimme von oben“ (Aurora Perry) inmitten der Gekreuzigten als leicht bekleidete orientalische Tänzerin sichtbar.

Wie eine Popikone, schulterlanges Haar, dunkle Sonnenbrille, gibt Bernd Hofmann gesanglich solide den Großinquisitor als rüstigen 90-Jährigen. Versteckt, aber wirkungsvoll, fungiert die Bürgermusikkapelle Gars als Dialogpartner des Orchesters. Bezaubernd auch als Page: Aurora Perry, klar und sicher: Max von Lütgendorff (Herold).

Aufführungen: 22., 24., 26. und 30. 7., 1., 5. und 8. 8.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2015)

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