Hitzewelle: 1540 war es noch schlimmer

Symbolbild: Trockenheit
Symbolbild: Trockenheit (c) Reuters
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Österreich stöhnt derzeit unter der Hitze. Die schlimmste "Megadürre" erlebte Europa vor 475 Jahren. Neun Monate lang fiel kaum Niederschlag, der Boden riss auf, das Wasser wurde knapp. Ein Szenario, das sich wiederholen könnte.

38,3 Grad Celsius zeigte das Thermometer in Krems und Langenlebarn am vergangenen Sonntag. Gleich doppelt holte sich Niederösterreich damit den bisherigen Temperaturrekord in diesem Sommer. Allerdings könnte der Wert bald überboten werden, sagt Clemens Teutsch-Zumtobel vom Wetterdienst UBIMET der "Presse“ – unter Umständen noch heute. Und: "Eine weitere Hitzewelle ist nicht ausgeschlossen.“ Laut der US-Behörde für Atmosphäre und Ozeane (NOAA) war die Periode Jänner bis Juni 2015 die bisher wärmste auf dem Planeten – seit Beginn der Messungen Ende des 18. Jahrhunderts.

Allerdings: So trocken wie vor 475 Jahren war es bis dato in Mitteleuropa nie wieder. Denn 1540 erlebte Europa eine „Megadürre“ – die bisher längste Trockenheit seiner Geschichte. Das geht aus rund 300 Chroniken hervor, die von einem 32-köpfigen Forscherteam um Oliver Wetter von der Universität Bern ausgewertet und 2014 im Fachmagazin „Climate Change“ veröffentlicht wurden. 1540 fiel damit weit extremer aus, als das bisher als „Jahrhundertsommer“ titulierte Jahr 2003.

Zu Fuß durch den Rhein

Ihren Anfang nahm die Trockenheit 1539. Im Winter soll es in Italien trocken und warm „wie im Juli“ gewesen sein, zitieren Wetter und seine Kollegen aus einer Chronik. Konkrete Temperaturangaben gibt es jedoch nicht. „Man kann aus den Witterungsberichten von damals nur rekonstruieren wie das Klima war, nur indirekt die Temperatur“, erklärt Teutsch-Zumtobel. Gesichert ist dafür eine klimatische Zweiteilung: Während das heutige Russland im Frühjahr von lang anhaltenden Schnee- und Regenfällen gebeutelt wurde, waren in Mitteleuropa Sonnenstunden im Übermaß vorhanden. „Es regnete nur mal drei Tage im März", notierte der Winzer Hans Stolz im Elsass.

Und so sollte es bleiben: Laut Wetter fiel in Europa von Jänner bis September kaum Niederschlag. Klimahistoriker Christian Pfister, der an der Studie beteiligt war, spricht von knapp einem Drittel der normalen Niederschlagsmenge: „Den ersten längeren Guss gab es erst wieder 1541.“ Die Folge: Der Boden trocknete aus, riss auf. An zumindest dreimal so vielen Tagen wie üblich dürften die Temperaturen auf mehr als 30 Grad angestiegen sein.

„Es war eine Megadürre mit Ernteausfällen, explodierenden Lebensmittelpreisen und Wald- und Buschbränden“, sagt Teutsch-Zumtobel. „In Basel konnte man den Rhein durchqueren, die Elbe hatte nur zehn Prozent des sonst üblichen Durchflusses“, so der Fachmann.

Das Wasser wurde knapp. In der Schweiz fand sich eineinhalb Meter unter manchem Flussbett „kein Tropfen“, schrieb der Chronist Hans Salat. Brunnen, die noch Wasser beinhalteten, wurden bewacht, nur beim Glockenschlag wurde die Flüssigkeit ausgegeben. „Im ausgetrockneten Bodensee suchten die Menschen römische Münzen“, heißt es weiter. Die Insel Lindau war mit dem Festland verbunden. Tausende versuchten ihren Durst mit verunreinigtem Wasser zu stillen – und starben an Entzündungen des Dickdarms.

Entsprechend dezimierte sich auch der Viehbestand. Die Gesamtzahl der Toten bleibt unklar, sagte Rüdiger Glaser von der Universität Freiburg 2014 dem „Spiegel“. Ein Vergleich mit 2003 lasse aber Schlimmes befürchten: Vor zwölf Jahren starben in Mitteleuropa bis zu 70.000 Menschen aufgrund der Witterung.

Positiv wirkte sich die Trockenheit lediglich auf den Weinbau aus: Die damalige Ernte wies einen so hohen Zuckergehalt auf, dass der Wein „im Glas wie Gold“ aussah, heißt es in einer Chronik.

Ein Sommer als Mahnung

„Alle 250 Jahre müssen wir mit einer Megadürre rechnen“, so Kimahistoriker Pfister zum „SRF“. Sollte sie Europa in nächster Zeit treffen, wäre das verheerend, meint der Umwelthistoriker, der aktuell an einer Studie arbeitet, die zu skizzieren versucht, wie die Schweiz bei einer Wiederholung des Jahres 1540 betroffen wäre: „Wir hätten ein Energieproblem. Auch das Kühlwasser für die Atomkraftwerke könnte knapp werden. Der Schifffahrtshandel käme zum Erliegen. Und wir müssten uns Sorgen wegen Epidemien machen, weil die Klärung der Abwasser nicht mehr gesichert wäre.“

Sein Fazit: „Die Katastrophe von 1540 sollte eine Mahnung sein, was geschehen kann. Ich hoffe, wir müssen so etwas nie erleben.“ Zwar geschehen derartige Ereignisse, so geben die Forscher unisono zu bedenken, offensichtlich auch ohne die Klimaerwärmung. Doch mit dem Treibhauseffekt könnten sie künftig häufiger auftreten.

>>> Bericht der Forschergruppe um Oliver Wetter

>>> Bericht im „Spiegel“

>>> Bericht des „SRF“

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