Miriam Fussenegger: Mächtige Wirkung

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In der „Salzburger Dreigroschenoper“ feiert Miriam Fussenegger heuer ihre Festspielpremiere. Ein Gespräch über die Psychologie von Bühnenfiguren und die Faszination des Verbotenen.

Schon als junge Schauspielerin mit großer Qualität konfrontiert zu sein – das bedeutet Salzburg für mich in erster Linie“, sagt Miriam Fussenegger irgendwann zwischen einem ersten Treffen am Set des „Schaufenster“-Modeshootings und der Probenpause zu „Mackie Messer – eine Salzburger Dreigroschenoper“ vor der Premiere im August. Versonnen fährt sie fort, auf ihren Auftritt in der Felsenreitschule vorausblickend: „Natürlich ist das Ganze aufregend; schon, weil ich noch nie auf einer so großen Bühne gestanden bin. Und natürlich ist es etwas Schönes, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die schon Erfahrung haben und von denen ich lernen kann – was für mich einfach inspirierend ist.“

Mehrere Arten von Neuland. In der zum ersten Mal seit ihrer Uraufführung leicht abgewandelten Version von Brechts „Dreigroschenoper“ – die Erben von Kurt Weill hatten im Vorfeld der Umsetzung dieser „einmaligen Experimentalfassung“ mit von Martin Lowe adaptierter Musik zugestimmt – wird Miriam Fussenegger die Tochter von Polizeipräsident Brown verkörpern: Lucy ist, „wie alle Frauen in dem Stück“, so die junge Schauspielerin, dem Unterwelthaudegen verfallen: „Ich glaube, wegen der Machtposition, die er als Verbrecherchef innehat.“ Das bedeute freilich nicht, dass alle Frauen, die er in seinen Bann zieht, ihm so kopflos verfallen, dass sie nicht mehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind: „Jede Einzelne von ihnen schaut, welchen Nutzen sie aus der Situation ziehen kann. Die Frauen sind sehr wohl auch Biester, die genau wissen, was sie wollen und wie sie Mackie manipulieren können.“

Für die Inszenierung der jungen Schauspielerin bei der Modeproduktion ließen sich die Fotografinnen zwar von der Figur der Lucy inspirieren: ein Mädchen aus gutbürgerlichem Hause, das seine Vorliebe für die Unterwelt entdeckt. Als Lucy-Interpretin ist sich Fussenegger aber gar nicht so sicher, ob eben diese Faszination erst durch Mackie Messer ausgelöst wird: „Ihr Vater, Polizeipräsident Brown, ist ja auch korrupt; so gutbürgerlich ist ihre Umgebung also keineswegs. Aber natürlich findet sie es spannend, sich über die Verbote ihres Vaters und die Instanz des Rechts, für das er als Polizeipräsident steht, hinwegzusetzen.“

Sich derart psychologisierend mit einer Figur, die sie darstellt, auseinanderzusetzen und sich quasi in sie hineinzufühlen, das entspricht zwar ziemlich genau jener Arbeitsweise, die Miriam Fussenegger im Max-Reinhardt-Seminar, das sie 2014 abgeschlossen hat, auf ihren Weg mitbekommen hat. „Dort wird man anfangs mit Stanislawski konfrontiert: Der Schauspieler soll sich emotional auf die Situation der Figur einlassen, alles ist sehr psychologisch.“ Bertolt Brecht freilich legte sein Theater genau anders herum an – darum betritt Fussenegger in Salzburg gleich in mehrerer Hinsicht Neuland: „Bei Stanislawski geht es gerade nicht um das Entfremden, das Sich-Distanzieren zu der Figur, wie es Bertolt Brecht fordert. Darum war es auch spannend für mich, mich mit Brecht zu beschäftigen und mit den Kollegen zu sprechen. Denn für mich – vielleicht, weil ich am Seminar war  – fühlt es sich wie ein Mysterium an, wie ich eine Figur verkörpern und zugleich Distanz zu ihr wahren soll.“

Experimentierfreudig. Auf eines freut sich Miriam Fussenegger bei „Mackie Messer“ besonders: „Wenn gute Musik mit gutem Theater in Verbindung gerät, kann das sehr mächtig werden. Denn Musik kann Menschen viel schneller und direkter berühren; in Verbindung mit Theater ist das ein perfektes Zusammenspiel“, so die Oberösterreicherin, die, wie sie sagt, selbst „sehr gern singt“. Während die Premiere in der Felsenreitschule also noch vor ihr liegt, steht doch jetzt schon fest, dass Fussenegger später in diesem Jahr einem breiteren Publikum zum Begriff werden könnte: In einem der beliebten ORF-Landkrimis, der vergangenen Winter abgedreht wurde, gibt sie an der Seite von Josef Hader die Assistentin eines im Mühlviertel ermittelnden Kommissars. Zudem steht sie bereits für einen Dreiteiler, der im 15.   Jahrhundert spielt, vor der Kamera. „Ich nehme das fast als Geschenk für mich, dass ich so früh so Verschiedenes ausprobieren darf“, bemerkt Miriam Fussenegger dazu. „Natürlich höre ich oft die Frage ,Willst du eher Film machen, oder doch lieber Theater?‘, und ich kann es einfach nicht im Handumdrehen beantworten.“

Ganz verblüfft sei sie zum Beispiel, wie wenig Zeit oft bei Dreharbeiten für eine Szene zur Verfügung stehe. Auch die Arbeit am Theater verläuft freilich ganz anders als in der „geschützten Laborsituation“ der Schauspielschule, an die sie sich selbstverständlich noch gut erinnern kann: „Natürlich weiß man als Schauspielschüler, dass das Seminar ein geschützter Rahmen ist, aber es fühlt sich dann doch anders an, und man nimmt alles irrsinnig ernst. Im Nachhinein denke ich mir jetzt erst, ich hätte manches auch weniger ernstnehmen können.“

Den Schritt hinaus, das Flüggewerden, hat sie gern gemacht, so Fussenegger, die im Übrigen auch die Öffnung des Reinhardt-Seminars durch die Zusammenarbeit mit dem Akademietheater, wie im vergangenen Semester geschehen, als positiven Impuls empfindet. Wie ihre Karriere weitergeht, ob sie mehr Theater spielen, ob sie weiterhin in Wien bleiben will, kann die junge Frau jetzt noch nicht einschätzen. Sicher ist nur, dass in den nächsten Monaten einiges auf sie zukommt – auch in puncto Bekanntheitsgrad. Wie aber sieht es mit Repräsentation abseits der Bühne bei Miriam Fussenegger aus? „Da weiß ich natürlich noch nicht, was auf mich zukommen wird. Andererseits denk ich mir realistisch, was soll ich groß repräsentieren, ich bin ja noch ganz am Anfang. Ich finde es zum Beispiel fast befremdlich, wenn mich jemand um ein Autogramm bittet.“

Tipp

„Mackie Messer“. Die „Salzburger Dreigroschenoper“ hat am 11. August Premiere.

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