Wettbewerb belebt die Demokratie

Die ÖVP hat im EU-Wahlkampf die Chance, sich im Wettstreit der Mitbewerber nicht nur zu profilieren, sondern auch als eine wahrhaft europäische Partei zu präsentieren.

Nicht Blau und nicht Orange, nicht Rot und auch nicht Grün, sondern Schwarz hat Farbe in den EU-Wahlkampf gebracht. Verursacht wird dies durch eine Vorzugsstimmenaktion, die nicht der neue, sondern der bisherige ÖVP-Spitzenmann für die EU-Wahl aus dem sprichwörtlichen Hut zauberte. Auslösendes Moment war, dass die ÖVP zunächst mit Ernst Strasser einen Überraschungskandidaten aufstellte, worauf sich viele erst der Leistungen bewusst wurden, die Othmar Karas (offenbar unbedankt) bereits bisher für Österreich in Brüssel erbracht hat.

Was oberflächlich von manchen Beobachtern als ein „Bruderkampf“ bezeichnet wird, nämlich die Vorzugsstimmenkampagne, ist tatsächlich ein wichtiger Beitrag, mit dem Leben in den politischen Alltag kommt, der ohnedies von vielen oft nur als eintönig und rituell empfunden wird. Und die VP-Parteispitze ist gut beraten, sich durch diese personellen Aktivitäten nicht irritieren, sondern von einem Kernsatz aus dem Salzburger Programm inspirieren zu lassen: „Partnerschaft bietet die Basis, Konflikte nutzbar zu machen und friedlich zu lösen.“

Erinnerungen an 1978 dürfen strapaziert werden. Damals wollte die Parteiführung als Nachfolger von Stephan Koren den Wirtschaftsbündler Robert Graf zum Klubobmann wählen lassen. Der ÖAAB fand sich damit aber nicht ab und schickte Alois Mock ins Rennen, der aus einer Kampfabstimmung als Sieger hervorging – ohne dass die Freundschaft zu seinem Gegenkandidaten Schaden erlitten hätte. Was folgte, war eine kampfeslustige ÖVP im Parlament, die es plötzlich verstand, attraktive Oppositionspolitik zu machen und so letztlich den Weg zurück zum Ballhausplatz fand.

Der „lange Marsch“ nach Brüssel

Auch jetzt ist eine Mobilisierung notwendig, haben doch zuletzt Meinungsumfragen signalisiert, dass das Interesse an den EU-Wahlen in Europa, insbesondere aber auch in Österreich relativ gering ist. Die Volkspartei hat in diesem Wahlkampf die Chance, sich im Wettstreit der Mitbewerber nicht nur zu profilieren, sondern auch als eine wahrhaft europäische Partei zu präsentieren.

Und es gibt keinen Grund, diese Tradition zu verwischen. Die Wurzeln reichen bis in die 50er-Jahre zurück, als Leopold Figl bereits von einem „Leben in einem großen Vaterland, das sich Europa nennt“ sprach. Es dauerte allerdings bis 1984, als erstmals von der Jungen ÖVP (übrigens initiiert von Othmar Karas und Johannes „Gio“ Hahn) ein Antrag auf den Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft gestellt wurde. Und es war dann Alois Mock, der ausgehend von der Regierungserklärung 1987 den „langen Marsch“ nach Brüssel antrat. In Österreich, das zunächst noch dachte, der Neutralitätsstatus und ein „Njet“ aus der Sowjetunion würden einen Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft verhindern, wuchs – insbesondere auch getragen von der jungen Generation – die Begeisterung, an diesem großen Europa mitzuwirken. Eine Stimmung, die in der Volksabstimmung vom 12. Juni 1994 mit einem Beinahe-zwei-Drittel-Votum für den EU-Beitritt ihren Höhepunkt fand.

Ein Gefühl des Zusammenrückens

Diese Stimmung von damals wird nicht mehr so schnell wiederherstellbar sein, allerdings, die aktuelle Wirtschaftskrise hat schon auch ein Gefühl des Zusammenrückens entstehen lassen. Gemeinsam und in der Europäischen Union ist sicher besser als einsam und außerhalb der EU. Das könnte beim Wahlgang am 7.Juni noch einen Ausschlag geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2009)

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