Arbeitsmarkt: Schelling drängt Hundstorfer

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Der Finanzminister ist unzufrieden wegen der Verschiebung des Koalitionsreformtreffens. Der ÖGB sieht Deutschland nicht als Vorbild: „Österreichs Mindestsicherung funktioniert besser als Hartz IV.“

Wien. Aus der Unzufriedenheit mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wegen der Situation auf dem österreichischen Arbeitsmarkt wird im Finanzministerium kein Hehl gemacht. Eine Senkung des Arbeitslosengeldes sei aber dezidiert keine Forderung von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), wurde der „Presse“ am Montag in seinem Ressort versichert. Reformbedarf gibt es für ihn beim Einsatz der Mittel, die Österreich im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und für den Arbeitsmarkt aufwendet. „Wo Steuergeld im Einsatz ist, muss der Finanzminister für einen effizienten Umgang damit sorgen.“

Daraus leitet Schelling den Anspruch ab, Österreich müsse Anreize setzen, damit Menschen ohne Beschäftigung möglichst rasch auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. Für ihn ist Hartz IV ein Modell, bei dem der Anreiz, Arbeit anzunehmen, besser gewährleistet sei als durch die Mindestsicherung in Österreich. In diesem Zusammenhang wird im Finanzressort beklagt, dass Hundstorfer den von der SPÖ-ÖVP-Regierung lange geplanten Gipfel zur Reform des Arbeitsmarktes bereits zum zweiten Mal – nunmehr auf September – verschoben hat.

Deutsch-österreichischer Unterschied

Hintergrund der Debatte: In Österreich wird kritisiert, die Differenz zwischen der Mindestsicherung von 827,82 Euro pro Monat für Alleinstehende und dem Lohn aus Erwerbstätigkeit sei zu klein. Auf den ersten Blick zeigt sich tatsächlich bei den Leistungen eine Kluft zwischen dem Hartz-IV-Bezug und der Mindestsicherung. Hartz IV hat 2005 die Sozialhilfe abgelöst und macht heuer 399 Euro im Monat für Alleinstehende aus. Für Partner gibt es 360 Euro monatlich, für Kinder je nach Alter zwischen 267 und 320 Euro. Dazu kommt allerdings, dass die Kosten für „angemessenen“ Wohnraum und Heizung auch von der öffentlichen Hand erstattet werden.

In Österreich macht die Mindestsicherung 827,82 Euro brutto für Alleinstehende aus, für Paare sind es 1241,73 Euro. Dazu kommen Zahlungen für Kinder. In dieser Summe ist aber bereits ein 25-Prozent-Anteil für Wohnkosten enthalten. Die Länder können darüber hinaus Wohnbeihilfe gewähren.

Der Wirtschaftsbund begrüßte den Vorstoß Schelllings: Österreich müsse sich an internationalen Erfolgsmodellen orientieren. Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) stemmt sich genau deswegen dagegen und will von Hartz IV in Deutschland als Vorbild nichts wissen. „Die Mindestsicherung funktioniert besser als Hartz IV“, betont der Leitende Sekretär des ÖGB und Arbeitsmarktexperte, Bernhard Achitz, im Gespräch mit der „Presse“.

Denn mit Hartz IV würden die Leute „in die Armut gedrängt“. Österreich habe bei der Einführung der Mindestsicherung im September 2010 genau den Fehler von Hartz IV nicht gemacht. Die Mindestsicherung werde über das Arbeitsmarktservice (AMS) und nicht über das Sozialamt abgewickelt. Dadurch gebe es stets die Bestrebungen, dass Bezieher auch Angebote für Jobs erhielten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2015)

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