Konjunktur: Nur der Staat schwimmt noch im Geld

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Die wirtschaftliche Stagnation seit 2011 setzt sich fort – dafür sorgen schwacher Konsum, fallende Exporte und Russland-Sanktionen. Gleichzeitig kassiert der Staat so viel wie nie.

Wien. Wenn Ökonomen in Labors arbeiteten, mit weißen Mänteln und Reagenzgläsern, dann müsste sich das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) bald ein neues, leistungsstarkes Elektronenmikroskop zulegen, um das „Wachstum“ in Österreich zu erkennen. Das schrammt laut Wifo nämlich weiter hart an der Nulllinie entlang. 0,3 Prozent Wachstum im zweiten Quartal. Immerhin: Im ersten Quartal lag das Wachstum bei nur 0,2 Prozent. Es gibt also einen Aufwärtstrend, den kleinstmöglichen.

Man muss eigentlich von Stagnation sprechen. Damit schlägt sich die heimische Wirtschaft nun schon seit vier Jahren herum. Nach der Finanzkrise gab es nur einen kurzen Aufschwung: 2009 bis 2011. Seitdem bewegt sich der Strich seitwärts. „Da ist nicht viel Dynamik drinnen“, sagt auch Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker im Gespräch mit der „Presse“. So weit zu gehen, die Prognosen zukünftig mit zwei Dezimalstellen anzugeben, würde ihm aber auch nicht einfallen: „Das würde eine Scheingenauigkeit suggerieren.“ Die nunmehr veröffentlichten Zahlen für das zweite Quartal sind bisher nämlich nur eine „Schnellschätzung“.

„Licht am Ende des Tunnels“

Die Gründe für die Stagnation? Die schwache Inlandsnachfrage, schrumpfende Banken, fallende Bauinvestitionen und ein schwacher Dienstleistungssektor liefern den ersten Schlag. Die global immer fragilere Konjunktur und das daraus resultierende Exportminus von 0,1 Prozent liefern den zweiten Schlag. Und die Russland-Sanktionen führen zum technischen K. o. der österreichischen Wirtschaft.

Der Warenhandel mit Russland ist um 30 Prozent eingebrochen. Die Zahl der russischen Touristen, die traditionell viel Geld im Land lassen, ist gar um 50 Prozent gefallen. „Aber auch der schwache Ölpreis spielt eine Rolle“, so Scheiblecker. „Günstiges Benzin hilft den Haushalten zwar ein bisschen beim Konsum. Aber der globale Ölpreis wird nachfrageseitig bestimmt. Ein niedriger Preis deutet auf eine schwache Nachfrage hin, und das trifft uns über den Export.“

Lichtblick eins: Die Sachgüterproduktion hat nach einer Schwächephase um 0,4 Prozent angezogen. Und auch die Industrie zeigt Anzeichen eines Stimmungswandels. Der sogenannte Einkaufsmanagerindex der Bank Austria hat im Juli mit 52,4 Punkten den höchsten Wert seit rund eineinhalb Jahren erreicht. „Das Licht am Ende des Tunnels wird heller“, heißt es dazu von den Bankanalysten. Auch wenn der Beschäftigungsstand in der Industrie im ersten Halbjahr um 0,6 Prozent auf 580.000 Mitarbeiter gesunken ist.

Steuereinnahmen sprudeln

"Lichtblick" zwei: Der Staat. Die staatlichen „Konsumausgaben“ sind im zweiten Quartal mit 0,4 Prozent deutlich schneller gewachsen als die privaten (0,1 Prozent). Als Konsumausgaben des Staates gilt Geld, das nicht langfristig investiert (wie etwa im Straßenbau), sondern „ausgegeben“ wird – also etwa für den Betrieb von Gesundheits- und Bildungssystem sowie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit.
Diese staatlichen Konsumausgaben können den privaten Konsum zwar kurzfristig ersetzen, aber auch der Staat muss sein Geld irgendwo holen. Und dafür gibt es genau genommen nur eine Quelle: die Bürger. Die zahlen am Ende immer – egal, ob über Steuern oder steigende Staatsschulden. Und dieses Geld fehlt dann bei den privaten Investitionen.

Im Gegenzug kann sich der Staat über Rekordeinnahmen freuen. 38,2 Mrd. Euro hat die Republik im ersten Halbjahr von ihren Bürgern einkassiert, um 4,3 Prozent mehr als im Vorjahr. 13 Mrd. davon allein aus der Lohnsteuer, genauso viel aus der Umsatzsteuer – und 1,6 Mrd. aus der Kapitalertragsteuer, wo das Steueraufkommen um 30 Prozent gestiegen ist. Auch die Einnahmen aus der heuer erhöhten Schaumweinsteuer sprudeln: plus 846 Prozent (kein Tippfehler).

Angesichts dieser Zahlen ist es aber wenig verwunderlich, dass (laut Wifo) die Entlastung durch die Steuerreform ab 2016 bisher noch keinen vorgezogenen Konsum in der Bevölkerung ausgelöst hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2015)

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