Wie der Heldenplatz umgebaut wird

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Wenn schon die Parlamentscontainer, dann gleich der Tiefspeicher unter dem Platz. Völlige Umgestaltung des Äußeren Burgtores und Verlegung der beiden Gedenkstätten?

Der geschichtsträchtige Wiener Heldenplatz wird sich in absehbarer Zeit in eine ziemlich spektakuläre Baustelle verwandeln. Unmittelbarer Anlass ist das Containerdorf, das die Parlamentarier hier aufbauen wollen, wenn die Totalsanierung des Hauses am Ring beginnt. Was Touristen und Spaziergänger, Denkmalschützer und Liebhaber des vertrauten Stadtbildes verstören mag, könnte aber auch eine einmalige Chance bieten, ist der Wiener Zeitgeschichtler Oliver Rathkolb überzeugt. Denn wenn schon, denn schon: Dann wäre es nur logisch, gleich den Tiefspeicher unter dem Platz zu buddeln, der der Nationalbibliothek, aber auch dem geplanten Haus der Geschichte dienen könnte.

Startschuss im Herbst?

Wenn dann – etwa 2020 – alles fertig sei, präsentiere sich dem Wien-Besucher eine „Demokratie-Achse“– von der Neuen Hofburg über den Äußeren Burgplatz (so heißt der Heldenplatz eigentlich) hinüber zum Parlamentsgebäude.

Die Steuerungsgruppe in der Bundesregierung arbeite bereits an diesen hochgesteckten Plänen, berichtet Rathkolb, bis 31. Dezember sollte sie den Startschuss geben. Schon im Herbst wolle man den Ausstellungskurator für das Haus der Geschichte bestellen. Denn: „Ohne eigene Sammlungstätigkeit wird es nicht gehen“, meint der Projektleiter im Gespräch mit der „Presse“. Eine „kleine, gediegene, kluge Sammlung mit spannenden Objekten“ schwebt ihm vor. Sein Institut für Zeitgeschichte auf dem Campus des Alten AKHs ist derzeit Brutzelle und Epizentrum für alle möglichen Ideen und Konzepte, die im Herbst Gestalt annehmen sollen.

Viele Widerstände gilt es zu überwinden. Die noch recht vage Finanzierung in den Budgets ab 2016 ist nur eine Hürde dabei. Die andere betrifft die Unterbringung in der Hofburg: Die Sammlung historischer Musikinstrumente müsste von der Beletage ins Erdgeschoß hinunter. Das wieder ruft die Hüter dieser unschätzbaren Ausstellungsstücke auf den Plan. Matthias Pfaffenbichler, Direktor der Hofjagd- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums (KHM), ist strikt dagegen.

Widerstände in der Hofburg

„Warum lässt man die Sammlung nicht dort, wo sie ist?“, fragte er kürzlich unter großem Beifall des Auditoriums bei einer Publikumsveranstaltung. Auch diese Sammlung habe doch viel mit österreichischer Geschichte zu tun. Museumsexpertin Renate Goebl wieder glaubt, unter Einrechnung aller Kosten werde das Einpassen des Hauses der Geschichte in die Neue Burg so teuer kommen wie die Errichtung eines kleinen, architektonisch signalhaften Neubaus auf dem Heldenplatz.

Rathkolb ist um Beruhigung der Gemüter bemüht. Schließlich ist sein Konzept ja nur die eine Seite der Medaille, die Verhandlungen mit Nationalbibliothek, KHM und Weltmuseum (früher Völkerkundemuseum) muss die Politik führen, konkret Kulturminister Josef Ostermayer, der ja Rathkolb vor einem halben Jahr engagiert hat.

Der Minister dürfte sich auch schon prominenten Sukkurs geholt haben: Großmeister Nikolaus Harnoncourt habe sich für eine Absiedelung und moderne Neupräsentation der Musikinstrumente ausgesprochen, weiß Rathkolb zu erzählen. Alle betroffenen Museen würden von den Umbauplänen profitieren; Trägerin des HdG soll der Einfachheit halber die Nationalbibliothek werden.

Das Feilschen um jeden Quadratmeter an Ausstellungsfläche zwingt die Verantwortlichen, sich nach Ausweichmöglichkeiten umzusehen. Und da bietet sich ein Bauwerk in nächster Nähe an, das schon den Architekten der Ringstraßen-Ära buchstäblich im Wege stand: das Äußere Burgtor.

Unzweckmäßiger Sperrriegel

Napoleon ließ es 1809 als Teil der alten Stadtbefestigung sprengen, Kaiser Franz I. aber ordnete einen Neubau durch Peter Nobile an. Am 16. Oktober 1824 – dem elften Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig – wurde das Tor feierlich eröffnet. In goldenen Lettern kündet es den Wahlspruch des Kaisers Franz: „Iustitia regnorum fundamentum“.

Aber glücklich war kein Architekt mit dem Bau, der zwischen den Hofmuseen und dem Heldenplatz wie ein Sperrriegel wirkt. Otto Wagner wollte das Tor abreißen und es nach Grinzing auslagern, der Bauleiter der Neuen Hofburg, Ludwig Baumann, wollte das Tor ebenfalls schleifen, um so den Äußeren Burghof zum Ring hin zu öffnen. Eine andere, wenig bekannte Spielart war ein überdimensionales Reiterdenkmal auf dem Tor: Höher als die gegenüber sitzende Maria Theresia hätte Kaiser Rudolf, der Begründer der Habsburger-Dynastie, auf die Ringstraße geblickt. Eine zeitgenössische Bildmontage (siehe unten) gibt eine Vorstellung von der Monstrosität dieses Plans.

Diesen Überlegungen machte der Krieg ab 1914 ein Ende. Ein Otto-Wagner-Schüler, Rudolf Wondracek, baute dann das Tor 1934 zu einem Heldendenkmal für die Gefallenen des Weltkrieges um. In der Krypta wird jeden Sonntag eine Messe zelebriert.

1965 kam auf Beschluss der Bundesregierung rechts ein Weiheraum für die Opfer des österreichischen Freiheitskampfes dazu. Und seit damals gilt diese Kultstätte als unangreifbar.

Lange Zeit verbot sich jede Diskussion darüber von selbst – etwa die simple Frage junger Besucher, warum das „offizielle Österreich“ alljährlich links der Soldaten und rechts der zivilen Opfer mit Kränzen und militärischer Garnierung gedenke.

Das könnte nun, 70 Jahre nach Kriegsende, anders werden. Eine Verlegung (und Vereinigung) dieser beiden Gedenkstätten sollte ernsthaft angedacht werden. Möglich wäre eine neue zentrale Gedenkstätte der Republik im Volksgarten, wo der Theseustempel seit seiner Erbauung auf eine sinnvolle Verwendung wartet. Die unmittelbare Nähe zum Deserteursdenkmal könnte auch für die Grünen ein Anreiz sein, die sich seit Monaten mit der Neugestaltung des Äußeren Burgtores beschäftigen.

Ein luftiger Pavillon?

Dazu gibt es schon mehrere Projektskizzen. Eine zeigt eine gläserne Überdachung, womit ein zusätzlicher Ausstellungsraum gewonnen wäre. Die neue Funktion des Tores wäre eine freundliche, einladende – als Informationszentrale, Verteilerzentrum für die Besucherströme, Wegweiser für alles, was den Besucher erwartet, wenn er das Tor durchschritten hat: die vielen Museen, die hier beheimatet sind, die Burg selbst als Gesamtkunstwerk, die in ihrem Herzen die geistliche und weltliche Schatzkammer der Habsburger birgt.

Die heikle NS-Zeit

Daneben geht die Arbeit des wissenschaftlichen Beirats für das HdG weiter. Im Dezember soll ein erstes Konzept vorliegen, das sich auch mit der heiklen Geschichte dieses Landes im 20. Jahrhundert beschäftigen wird. Vor Kurzem hat sich dazu eine interessante Stimme von außen gemeldet: Stuart E. Eizenstat, 2001 US-Chefunterhändler mit Österreich über die NS-Entschädigungen. Der Diplomat und Rechtsanwalt meint: „Unter all den Nationen, die in den Zweiten Weltkrieg verwickelt waren, hatte keine eine kompliziertere Geschichte als Österreich.“ Es war 1938 Opfer, weil es durch Gewalt seine Unabhängigkeit als Nation verlor. Aber klar sei auch: „Viele Österreicher unterstützten freiwillig Hitlers Pläne, andere fügten sich mit nur wenig Widerstand...“

Nächsten Montag:
„50 Jahre – ein Leben in der ,Presse‘“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2015)

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