Ungarn: Eine rechtsradikale Miliz gegen Flüchtlinge

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Im Internet formierte sich das Bataillon der Freiwilligen Grenzjäger. Die Regierung beginnt mit dem Bau des umstrittenen Grenzzauns.

Wien/Budapest. Nicht nur die Regierung in Ungarn setzt in der Flüchtlingspolitik auf Härte: Trotz internationaler Kritik begann die Regierung von Viktor Orbán am Montag offiziell mit dem Bau des Grenzzauns zu Serbien, um illegale Flüchtlinge abzuhalten. Dabei dürften viele Ungarn die Meinung ihres Regierungschefs teilen: Ebenso wie Orbán treten sie für ein „Europa für Europäer“ ein – und greifen dafür auch zu radikalen Mitteln.

Am Wochenende formierte sich im Internet die rechtsradikale Organisation Bataillon der Freiwilligen Grenzjäger. Die Gruppe will im Grenzbereich zu Serbien illegale Migranten aufspüren. Die Polizei in der südungarischen Grenzstadt Szeged habe bereits ein Verfahren gegen die Privatmiliz eingeleitet, berichten lokale Medien. Ihr wird vorgeworfen, das Sicherheitsmonopol des Staates zu untergraben.

Schon Mitte Juli hatte die rechtsextreme Organisation 64 Burgkomitate (HVIM) mit ebendieser Ankündigung für Aufsehen gesorgt. Sie werde Busse mit Freiwilligen an die ungarisch-serbische Grenze schicken. Sie sollten das Land schützen, erklärte der Kopf der Bewegung, der ehemalige Parlamentsabgeordnete der rechtsradikalen Jobbik-Partei, György Gyula Zagyva. Während die Polizei unfähig sei, Migranten an dem 200 Kilometer langen Grenzabschnitt zu fassen, würde HVIM Flüchtlingen beweisen, dass es sich nicht lohne, nach Ungarn zu kommen.

Dass Flüchtlinge ihrer Meinung nach nicht willkommen sind, zeigte die rechtsradikale Gruppierung vor wenigen Wochen auch am Budapester Ostbahnhof. „Budapest gehört uns, wir werden es verteidigen!“, lautete das Motto ihrer Anhänger, als sie auf dem Bahnhofsgelände auf Patrouille gingen, um Flüchtlinge zu vertreiben.

Ein neuer Zaun an Ungarns Grenze

Dabei ist die Regierung unter dem rechtskonservativen Orbán seit Montagfrüh bereits dabei, illegale Flüchtlinge daran zu hindern, über die Schengen-Außengrenze in die EU zu gelangen – und scheut dabei keine Mühen und Kosten. 29 Milliarden Forint (rund 94 Millionen Euro) lässt sich Ungarn den Zaun kosten, berichtet ein ungarisches Webportal. Die Bauarbeiten für die Absperrung, die drei Meter in die Höhe und eineinhalb Meter in den Boden ragt, starteten zeitgleich an zwölf Orten. Vor Baubeginn war ein Probeabschnitt errichtet worden, um die am schwersten zu überwindende Konstruktionstechnik zu finden. An unwegsamen Stellen soll der Zaun aus drei aufeinandergelegten Rollen Nato-Draht bestehen, wie bei einer militärischen Behelfssperre.

Errichtet wird der Eisenzaun von Soldaten und rund 300 Arbeitslosen. Die Arbeiter werken in zwei Schichten, damit der Zaun nicht wie geplant erst im November, sondern schon am 31. August fertig ist. Dabei soll alles reibungslos verlaufen: Personen, die die Bauarbeiten des Zaunes behindern, droht die Regierung mit einer Strafe von 300.000 Forint (rund 970 Euro). Jene, die das Gelände unbefugt betreten, können mit einer Strafzahlung von 50.000 Forint belangt werden.

So könne man die Flut illegaler Flüchtlinge, die nach Ungarn reisten, um ein Sechstel verringern, sagte Orbán kürzlich. 99 Prozent der illegal eingereisten Migranten kommen über die serbisch-ungarische Grenze. 100.000 seien bis Anfang August bereits in Ungarn registriert worden. Dabei betrachten die meisten Flüchtlinge Ungarn nur als Transitland: Sie wollen weiter nach Österreich, Deutschland oder Skandinavien. (maka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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