Arbeitsmarkt: So viele freie Stellen wie noch nie

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Trotz Rekordarbeitslosigkeit gab es im Juli 39.403 freie Stellen. Das ist der höchste Stand seit 28 Jahren. Allerdings gibt es immer weniger Vollzeitstellen. Der Teilzeit-Boom hält an.

Wien. Die Regierung steht den jüngsten Arbeitslosenzahlen hilflos gegenüber. Wie das Sozialministerium am Montag bekannt gab, waren im Juli in Summe 376.522 Menschen ohne Job. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von 7,2Prozent. Schwierig ist die Situation in Wien mit einem Plus von 18,9Prozent, gefolgt von Oberösterreich mit 11,3Prozent und Niederösterreich mit 9,3Prozent. Auch 17.209 Asylberechtigte waren im Juli arbeitslos gemeldet (plus 23 Prozent).

Die Regierung will den negativen Trend mit einem Arbeitsmarktgipfel stoppen. Doch SPÖ und ÖVP können sich seit Monaten auf keinen Zeitpunkt einigen. „Leider haben wir noch immer keinen Termin“, hieß es am Montag im Sozialministerium.

Lange Zeit hatte Österreich die niedrigste Arbeitslosenrate in der EU, nun ist das Land auf den sechsten Platz zurückgefallen. Auf Platz eins liegt Deutschland, gefolgt von Tschechien und Malta.

Dies, obwohl es auch bei den freien Stellen einen neuen Höchststand gibt. So wurden im Juli dem Arbeitsmarktservice (AMS) 39.403 freie Stellen gemeldet. Das ist der höchste Stand seit 28 Jahren. Dabei gibt es allerdings einen Wermutstropfen. Denn die Zahl der gemeldeten Vollzeitstellen ging in den vergangenen acht Jahren um 3,8 Prozent zurück. Im Gegensatz dazu stieg die Zahl der Teilzeitjobs um 39,9Prozent. Dramatisch ist die Situation im Bereich Beherbergung und Gastronomie. Hier sank die Zahl der gemeldeten Vollzeitstellen um 21,1Prozent, während die Teilzeitjobs um 24,3Prozent zulegten.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) erklärte am Montag, die Konjunktur bleibe zu schwach, um die Arbeitslosigkeit zu verringern. „Die Arbeitsmarktpolitik stößt an Grenzen“, so Hundstorfer. Die Wirtschaft ist der Ansicht, dass die Regierung mit verschiedenen Maßnahmen sehr wohl die Konjunktur ankurbeln kann.

Gefordert wird unter anderem eine Senkung der Lohnnebenkosten. „Die Gesamtlast an Steuern und Abgaben als Anteil der Arbeitskosten beträgt hierzulande über 49Prozent, der OECD-Durchschnittswert liegt dagegen bei rund 36Prozent“, so die Industriellenvereinigung am Montag.

Jobproblem Gesundheitswesen

In keiner anderen Branche ist die Arbeitslosigkeit zuletzt so stark gestiegen wie im Gesundheits- und Sozialwesen. Hier gab es im Juli ein Plus von 12,2Prozent.

Vor allem niedrig qualifizierte Pflegekräfte finden immer schwerer einen Job. Bei diplomierten Pflegekräften gibt es dagegen sehr wohl Bedarf, sagt Ursula Frohner, Präsidentin des Gesundheits- und Krankenpflegeverbands.

Im Gesundheitswesen ist es teilweise nicht einfach, Menschen aus Österreich für einen Job zu finden. Dies zeigt der Ansturm bei der 24-Stunden-Betreuung für alte Menschen. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der 24-Stunden-Betreuer um 2500 auf 53.500 gestiegen. Davon stammen 56Prozent aus der Slowakei und 32Prozent aus Rumänien. Diese verdienen netto nur 630 Euro im Monat. Meist wird ein alter Mensch von zwei Frauen aus Osteuropa betreut. Diese wechseln einander im Zwei-Wochen-Rhythmus ab.

Ihre Qualifikation ist teilweise mangelhaft und kann nicht immer nachgeprüft werden. In Rumänien sind gefälschte Ausbildungszertifikate auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Alle Bemühungen, für die freiberuflichen 24-Stunden-Betreuer in Österreich einen Mindestlohn und weitere Qualitätsanforderungen einzuführen, sind bislang gescheitert. Im Gegensatz dazu stagniert die Zahl der Altersheimplätze, weil die Betroffenen lieber die 24-Stunden-Pflege in Anspruch nehmen. Außerdem kostet ein Altersheimplatz in Österreich rund 3500 Euro im Monat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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